Montag, 23. Februar 2015

Old Times Cruelty ... oder so

[Nicht wundern, das Bild wird auf RSP-Blogs nicht richtig angezeigt. Darum erscheint dort der seltsame Code.]




Schon seit langem wollte ich mal aufschreiben, was Old School für mich eigentlich ist. So recht Worte dafür habe ich aber nicht gefunden. Nun bin ich letztens auf einen tollen Artikel über "Old-School-Spiel" gestoßen, der vieles von dem sagt, was mir wichtig und richtig scheint. Mit der freundlichen Erlaubnis des Autors darf ich hier die Übertragung ins Deutsche präsentieren. 

Kurz zum Autoren: Creighton Broadhurst ist Mitverfasser des wohl besten  4E-Abenteuers, Madness at Gardmore Abby und  Chef des beliebten Pathfinder 3PP Raging Swan Press. (Gedruckte Sachen bekommt man übrigens in Deutschland gut über evil A.)

Aber genug der Vorrede:

Es gab in den letzten Jahren viele Überlegungen und Diskussionen darüber, was denn die Old-School -Spielweise ausmacht. Für mich ist das am besten in der 1st und 2nd Edition von Dungeons & Dragons ausgedrückt. Ich bin großer Fan des Old-School-Spiels, auch wenn ich die Mechaniken der dritten Edition oder von Pathfinder liebe.

Beim Entwickeln von Gloamhold, habe ich nun vor, die Old-School-Spielweise mit den neueren (besseren) Mechanismen von Pathfinder zu verbinden. Will ich das erreichen, dann muss ich zuerst genau bestimmen, was ich unter „Old School“ verstehe. Für mich ist Old School nicht zwingend  an den einen oder anderen Regelsatz gebunden – das Spielerlebnis ist das Entscheidende!

Was verstehe ich nun unter Old School?

SPIELFLUSS

Erzähls nicht. Zeigs!

Seit dem Aufkommen von mechanik-lastigeren Spielen, können die meisten Dinge mit einem Würfelwurf gelöst werden. Im Gegenzug scheint genau das aber die Beschreibungsdichte, die ein Spieler beim Erzählen der Aktionen seines SC an den Tag legt, unvermeidlich zu reduzieren. Beispiele dafür wären: „Ich suche Fallen“ oder „Ich benutze Täuschen gegen den Oger“. Bei Old-School-Spielen zwingt das Fehlen von Fertigkeiten-Systemen die Spieler dazu, wirklich genau zu beschreiben, wie ihre SC nach Fallen suchen, Informationen sammeln, einen Gefolgsmann anheuern, etc. Die Spielart ist langsamer, aber immersiver.

Behalte die Ressourcen in Blick:

Ressourcenmanagement ist unlängst in Ungnade gefallen. Es gilt als etwas völlig „Spaßbefreites“. Ich widerspreche dem. Wesentlicher Teil des Spiels ist es den Verbrauch von Sprüchen, Pfeilen, Eisennägeln, was auch immer, im Blick zu behalten. Cleveres oder erfinderisches Ressourcenmanagement kann die Gruppe um das Zehnfache belohnen und entscheidende Vorteile im Spiel mit sich bringen. Es ist schon ein tolles Gefühl genau die richtige Ausrüstung für eine beliebige Situation dabei zu haben. Erfinderischer Einsatz von Ausrüstungsgegenständen ist in sich Belohnung.


Große Gruppen:

Normalerweise setzt Old-School-Spiel auf große Gruppen von Abenteurern. Das CR-System von Pathfinder hingegen ist für 4 oder 5 SC mit wenigen oder gar keinen Gefolgsleuten entworfen. Damals, in den guten alten Zeiten, bestanden meine Gruppen aus 8 Spielern. Ich erinnere mich sogar an ein Spiel mit 14 Spielern! Offensichtlich können größere Gruppen größere Herausforderungen meistern als kleinere Gruppen. Das kann sich dann in längeren Erkundungstouren, in größeren, weitläufigeren Dungeons niederschlagen, oder einfach in  mehr Feindkontakten pro Begegnungsgebiet.    

Jemand zeichnet Karten. Und es ist nicht der SL:

Exploration war ein Schlüsselelement im Old-School-Spiel. Eine gute Karte konnte den Unterschied zwischen Erfolg oder Fehlschlag bedeuten. In späteren Editionen des Spiels war der SL die einzige Person, die Karten anfertigte. Im Old School Spiel jedoch beschreibt der SL lediglich, was die SC sehen, und einer der Spieler muss dann die Karte zeichnen.

Benutz dein Hirn, nicht deine Fertigkeiten:

Das korrespondiert mit  dem obenstehenden „Erzähls nicht. Zeigs!“ Wenn du nicht bloß einen Fertigkeiten-Wurf machen musst, um ein Problem zu lösen, eine Falle zu entschärfen oder nach Schätzen zu suchen, dann bist du gezwungen dein Hirn zu benutzen, um auf erfinderische Lösungen für Probleme zu kommen. Spieler werden  für gewitztes Spiel belohnt statt für gute Würfelergebnisse.

Es könnte keine Battle Mat geben:

Die meisten meiner Old-School-Runden hatten Battle Mats – viele andere SL, mit denen ich gespielt hatte, beschrieben aber den Kampf nur und wir mussten unsere Vorstellungskraft nutzen, um die Szene vor Augen zu haben.  Natürlich sind 3.X und Pathfinder sind im Kampf viel taktischer und die genaue Position deiner Spielfigur ist von Belang. 

SPIEL- UND WELTEN-DESIGN  

Spielbalance:

In gewissem Maß betonen spätere Editionen Spielbalance. Und zwar indem die meisten, wenn nicht gar alle Begegnungen fair und der Stufe der SC angemessen sind. Das bedeutet, dass wenn eine Gruppe Erststüfler eine Tür öffnet, dann werden sie auf der anderen Seite nicht auf einen uralten roten Drachen treffen. Beim Old School Spiel: Nimm dieselbe Gruppe von SC und sie kann gut auf den genannten roten Drachen stoßen, falls sie Warnsignale ignoriert und/oder etwas kolossal Dummes getan hat. (Das ist ein Extrembeispiel.) In Gloamhold werden die SC es mit CR+5 (oder höher) Begegnungen zu tun bekommen – die werden jedoch klar beschildert.

Magische Gegenstände:

In den guten alten Tagen waren magische Gegenstände wahrhaft wundersame Gegenstände. Sie wurden von allen Abenteurern begehrt. Ironischerweise wurden sie in späteren Editionen des Spiels in „wundersame Gegenstände“ umbenannt. Sie waren aber alles andere als wundersam, da die SC sie kaufen und verkaufen konnten, wie sie gerade wollten. Das machte magische Gegenstände zu wenig mehr als Bedarfsartikeln und führte zu den viel geschmähten Läden für magische Gegenstände (die ich mit der brennenden Leidenschaft tausend feuriger Sonnen hasste).

Schmutzig vs. (Super-)Heldenhaft:

In neueren Editionen des Spiels sind die SC, selbst auf Stufe 1, gut in der Lage heroische Taten außer Reichweite normaler Personen zu vollbringen. Im Old School Spiel, wo Stufe 1 Charaktere nur marginal effektiver sind als Söldner,  ist das nicht der Fall. Selbst auf höheren Stufen sind Old-School-SC keine Gott-ähnlichen Figuren, die in der Lage sind die Realität zu beugen oder gar die schrecklichsten Feinde zu zerschmettern.  

Fairness, nicht Balance:

Mit den aktuellen Editionen des Spiels wurden wir zunehmend versessen auf Spielbalance. Dagegen gelange ich mehr und mehr zu der Überzeugung, dass sie nicht alles ist. Sie erzeugt ein vorhersehbareres, wenn nicht gar steriles Spielerlebnis. Das geht so weit völlig in Ordnung. Wenn aber die Dinge zu vorhersehbar werden, werden SL oder Spieler selten überrascht. Das finde ich ein wenig schade. 

Eines noch:

Die Regeln in Old School Spielen sind oft viel leichter und das Spiel ist schneller als in späteren Editionen. Ich jedoch mag die reichhaltige Tiefe und Komplexität von Systemen wie 3.5 oder Pathfinder. Ich mag die Anpassbarkeit der Spielercharaktere (und ihrer Gegner). Genauso wie die taktischen Optionen für den Kampf. Ich sehe das nicht als inkompatibel zur Art des Old-School-Spiels, aber es ist eine Herausforderung beides zusammenzubringen.

Was bedeutet „Old School“ für dich?

An was denkst du, wenn du an Old School denkst? Hab ich irgendwas vergessen oder liege ich völlig daneben? Sollte ich eingesperrt werden? Lass mich in den Kommentaren wissen was du denkst. Hilf mir ein tolles Spielerlebnis für Gloamhold zu kreieren.
 

Insgesamt gefällt mir der Artikel gut. Er beschreibt für mich treffend was Old-School-Spiel ausmacht. An einigen Stellen komme ich zu – in Details – abweichenden Ergebnissen. 
    Zum Beispiel beim Karten-Zeichnen. Ich hatte das immer so gehalten, dass ich als SL Fragmente der Karten aufmale oder zeige. Die Spieler sollten jedoch den Gesamtkomplex mitzeichnen um sich zu orientieren und nicht später eine böse Überraschung zu erleben. 
    Bei der Superhelden-Geschichte würde ich sagen: Stimmt in Grundzügen. Gerade auf höheren Stufen werden die SC aber dann auch sehr mächtig. Immortals-Set beim Mentzer-D&D, anyone?


Bei den Regeln würde ich eher widersprechen. Old-School-Systeme sind für mich wesentlich. Sie bieten relativ einfache Regelgerüste, die eben Folgendes erlauben:


Rulings not Rules:

OSR-Spiele kommen gut mit ad-hoc-Regelungen klar. Das meint insbesondere, dass diese Regelungen nur ganz ganz selten mit den abgedrucken Regeln in Konflikt geraten. Bei neueren D&D-Versionen und deren Abkömmlingen dagegen, sind „Rulings“ eher keine empfehlenswerte Herangehensweise. Wie dem auch sei: Bei mir werden diese ad-hoc-Regelungen meist aufgrund von Spielerideen oder –wünschen notwendig. Beispiele: Ein Spieler beschreibt ein bestimmtes Kampfmanöver. Wenn die Aktion für den SC grundsätzlich realistisch scheint, dann überlegen wir kurz zusammen, welche regelseitigen Vor- und Nachteile sich daraus ergeben und dann wird gewürfelt. Das geht schnell, bringt situativ passende Lösungen und stört nicht den Spielfluss. Wenn dauerhaft der Wunsch nach bestimmten Optionen da ist (in einer Labyrinth-Lord-Runde kam der Wunsch nach einer aktiven Parade), dann kann das relativ problemlos in die Regeln integriert werden. Und damit wären wir auch schon beim nächsten Punkt. 

Hausregeln und Bastelein (Do it yourself):
Dadurch, dass OSR-Systeme wenig komplex und entsprechend wenige Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Regeln haben, fällt es leicht Hausregeln (wie „Parade“ in der LabLord-Runde) zu integrieren. Die verschiedenen Subsysteme und Einzelregelungen bieten jedoch Anhaltspunkte, wie die Hausregeln sinnvoll zu integrieren sind. Als Beispiel dafür mag mein System der Spontanzauberei für Lamentations of the Flame Princess herhalten. Insgesamt erlauben Hausregeln ein Spielsystem an die Wünsche und Bedürfnisse der Spieler anzupassen. Dasselbe gilt, wenn man für einen bestimmen Hintergrund bestimmte Elemente in den Regeln abgebildet haben will. Auch hier verweise ich wieder auf die Spontanzauberei für LotFP.

Was bringen nun Old School Regeln?
Für mich sind die das ideale Zwischending aus Freiform und regelgeleitetem Spiel. Sicher, OSR-Spiele sind auch nicht unbegrenzt anpassbar. Zum einen gibt es gewisse basale Regeln, ohne die fettgedruckten Punkte nicht oder nicht so gut funktionieren. Zum anderen sind Spiele wie FantasyCraft oder Pathfinder die bessere Wahl,  wenn die Spieler auf viele vorgefertigte Optionen oder Möglichkeiten der regelseitigen Charakterdifferenzierung stehen.

Zum Schluss gibt’s noch etwas aus dem Bereich der Spielleitung, wozu oben wenig gesagt wurde. Und zwar das Sprüchlein von LotFP-Jim:
„My adventures and campaigns will have no pre-set endings. Characters are not required to act as I wish them to act during the course of the game. It is natural player behavior to trash scenarios and take the game to places unforseen.“ (LotFP Deluxe, Referee p. 13)

Meinungen? Kommentare?

2 Kommentare:

  1. Kann ich wunderbar nachvollziehen, insbesondere den Teil mit der Stufe zwischen Freeform und Regeln. Ich schätze auch gerade, dass bei den OSR Sachen die Subsysteme nicht sonderlich miteinander verbunden sind und man daran rumschrauben kann. Manche nennen das lückenhaft, ich nenne das in diesem Fall robust. Seltsam, weil mir eigentlich unterschiedlichste Subsysteme ein Graus sind. Kommt evtl. auf die Menge an. Bspw. SaWo kann ich genau deswegen nicht leiden, obwohl es mir eigentlich vom Grunddesign entgegenkommen müsste.

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  2. Danke für die Rückmeldung.

    @ Unterschiedliche Subsysteme: Mochte ich eine ganze Weile auch nicht. Irgendwann habe ich dann festgestellt, dass das bis zu einer gewissen Komplexität nicht so wild ist. Und andererseits: D&D 3+ (selbst True20, dem Streamlining ein besonderes Anliegen war) sind bei genauerem Hinschauen gar nicht so subsystemlos, wie man glauben möchte. Die Feats sind nicht nur einfach sowas wie Zauber, sondern folgen eigenen Regeln und lassen sich systemisch auch in verschiedene Typen einteilen (Bonigeneratoren, neue Handlungsmöglichkeiten, ...). Mal ganz abgesehen von den Feat-Ketten, die ja auch wieder sowas wie ein Subsystem sind.
    Wobei ich Subsyteme jetzt auch nicht unbedingt schlecht finde. Einheitliche Regelwerke neigen meist zu Abstraktion. Und genau das verringert die Anschaulichkeit und damit auch wieder die Zugänglichkeit.

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