Schon seit langem wollte ich mal aufschreiben, was Old School für mich eigentlich ist. So recht Worte dafür habe ich aber nicht gefunden. Nun bin ich letztens auf einen tollen
Artikel über "Old-School-Spiel" gestoßen, der vieles von dem sagt, was mir wichtig und richtig scheint. Mit der freundlichen Erlaubnis des
Autors darf ich hier die Übertragung ins Deutsche präsentieren.
Kurz zum Autoren: Creighton Broadhurst ist Mitverfasser des
wohl besten 4E-Abenteuers, Madness at
Gardmore Abby und Chef des beliebten
Pathfinder 3PP Raging Swan Press.
(Gedruckte Sachen bekommt man übrigens in Deutschland gut über evil
A.)
Aber genug der Vorrede:
Es gab in den letzten Jahren viele Überlegungen und
Diskussionen darüber, was denn die Old-School -Spielweise ausmacht. Für mich ist das am besten in der 1st und 2nd Edition von Dungeons & Dragons ausgedrückt. Ich bin großer Fan des Old-School-Spiels, auch wenn ich die
Mechaniken der dritten Edition oder von Pathfinder liebe.
Beim Entwickeln von Gloamhold,
habe ich nun vor, die Old-School-Spielweise mit den neueren (besseren)
Mechanismen von Pathfinder zu verbinden. Will ich das erreichen, dann muss
ich zuerst genau bestimmen, was ich unter „Old School“ verstehe. Für mich ist
Old School nicht zwingend an den einen
oder anderen Regelsatz gebunden – das Spielerlebnis ist das Entscheidende!
Was verstehe ich nun unter Old School?
SPIELFLUSS
Erzähls
nicht. Zeigs!
Seit dem Aufkommen von mechanik-lastigeren Spielen,
können die meisten Dinge mit einem Würfelwurf gelöst werden. Im Gegenzug
scheint genau das aber die Beschreibungsdichte, die ein Spieler beim
Erzählen der Aktionen seines SC an den Tag legt, unvermeidlich zu reduzieren. Beispiele dafür wären: „Ich suche Fallen“ oder „Ich benutze Täuschen gegen den
Oger“. Bei Old-School-Spielen zwingt das Fehlen von
Fertigkeiten-Systemen die Spieler dazu, wirklich genau zu beschreiben, wie ihre SC nach Fallen
suchen, Informationen sammeln, einen Gefolgsmann anheuern, etc. Die Spielart
ist langsamer, aber immersiver.
Behalte die
Ressourcen in Blick:
Ressourcenmanagement ist unlängst in Ungnade
gefallen. Es gilt als etwas völlig „Spaßbefreites“. Ich widerspreche dem. Wesentlicher Teil des Spiels ist es den Verbrauch von Sprüchen, Pfeilen,
Eisennägeln, was auch immer, im Blick zu behalten. Cleveres oder
erfinderisches Ressourcenmanagement kann die Gruppe um das Zehnfache belohnen und
entscheidende Vorteile im Spiel mit sich bringen. Es ist schon ein tolles
Gefühl genau die richtige
Ausrüstung für eine beliebige Situation dabei zu haben. Erfinderischer Einsatz von Ausrüstungsgegenständen ist in sich
Belohnung.
Große
Gruppen:
Normalerweise setzt Old-School-Spiel auf große
Gruppen von Abenteurern. Das CR-System von Pathfinder hingegen ist für 4 oder
5 SC mit wenigen oder gar keinen Gefolgsleuten entworfen. Damals, in den
guten alten Zeiten, bestanden meine Gruppen aus 8 Spielern. Ich erinnere mich
sogar an ein Spiel mit 14 Spielern! Offensichtlich können größere Gruppen
größere Herausforderungen meistern als kleinere Gruppen. Das kann sich dann
in längeren Erkundungstouren, in größeren, weitläufigeren Dungeons
niederschlagen, oder einfach in mehr
Feindkontakten pro Begegnungsgebiet.
Jemand
zeichnet Karten. Und es ist nicht der SL:
Exploration war ein Schlüsselelement im
Old-School-Spiel. Eine gute Karte konnte den Unterschied zwischen Erfolg oder
Fehlschlag bedeuten. In späteren Editionen des Spiels war der SL die einzige
Person, die Karten anfertigte. Im Old School Spiel jedoch beschreibt der SL
lediglich, was die SC sehen, und einer der Spieler muss dann die Karte
zeichnen.
Benutz dein
Hirn, nicht deine Fertigkeiten:
Das korrespondiert mit dem obenstehenden „Erzähls nicht. Zeigs!“
Wenn du nicht bloß einen Fertigkeiten-Wurf machen musst, um ein Problem zu
lösen, eine Falle zu entschärfen oder nach Schätzen zu suchen, dann bist du
gezwungen dein Hirn zu benutzen, um auf erfinderische Lösungen für Probleme
zu kommen. Spieler werden für
gewitztes Spiel belohnt statt für gute Würfelergebnisse.
Es könnte
keine Battle Mat geben:
Die meisten meiner Old-School-Runden hatten Battle
Mats – viele andere SL, mit denen ich gespielt hatte, beschrieben aber den
Kampf nur und wir mussten unsere Vorstellungskraft nutzen, um die Szene vor
Augen zu haben. Natürlich sind 3.X und
Pathfinder sind im Kampf viel taktischer und die genaue Position deiner
Spielfigur ist von Belang.
SPIEL- UND WELTEN-DESIGN
Spielbalance:
In gewissem Maß betonen spätere Editionen
Spielbalance. Und zwar indem die meisten, wenn nicht gar alle Begegnungen
fair und der Stufe der SC angemessen sind. Das bedeutet, dass wenn eine
Gruppe Erststüfler eine Tür öffnet, dann werden sie auf der anderen Seite
nicht auf einen uralten roten Drachen treffen. Beim Old School Spiel: Nimm
dieselbe Gruppe von SC und sie kann gut auf den genannten roten Drachen
stoßen, falls sie Warnsignale ignoriert und/oder etwas kolossal Dummes getan
hat. (Das ist ein Extrembeispiel.) In Gloamhold werden die SC es mit CR+5
(oder höher) Begegnungen zu tun bekommen – die werden jedoch klar
beschildert.
Magische
Gegenstände:
In den guten alten Tagen waren magische Gegenstände
wahrhaft wundersame Gegenstände. Sie wurden von allen Abenteurern begehrt.
Ironischerweise wurden sie in späteren Editionen des Spiels in „wundersame
Gegenstände“ umbenannt. Sie waren aber alles andere als wundersam, da die SC
sie kaufen und verkaufen konnten, wie sie gerade wollten. Das machte magische
Gegenstände zu wenig mehr als Bedarfsartikeln und führte zu den viel
geschmähten Läden für magische Gegenstände (die ich mit der brennenden
Leidenschaft tausend feuriger Sonnen hasste).
Schmutzig
vs. (Super-)Heldenhaft:
In neueren Editionen des Spiels sind die SC, selbst
auf Stufe 1, gut in der Lage heroische Taten außer Reichweite normaler
Personen zu vollbringen. Im Old School Spiel, wo Stufe 1 Charaktere nur
marginal effektiver sind als Söldner,
ist das nicht der Fall. Selbst auf höheren Stufen sind Old-School-SC
keine Gott-ähnlichen Figuren, die in der Lage sind die Realität zu beugen
oder gar die schrecklichsten Feinde zu zerschmettern.
Fairness, nicht Balance:
Mit den aktuellen Editionen des Spiels wurden wir
zunehmend versessen auf Spielbalance. Dagegen gelange ich mehr und mehr zu
der Überzeugung, dass sie nicht alles ist. Sie erzeugt ein vorhersehbareres,
wenn nicht gar steriles Spielerlebnis. Das geht so weit völlig in Ordnung.
Wenn aber die Dinge zu vorhersehbar werden, werden SL oder Spieler selten
überrascht. Das finde ich ein wenig schade.
Eines noch:
Die Regeln in Old School Spielen sind oft viel
leichter und das Spiel ist schneller als in späteren Editionen. Ich jedoch
mag die reichhaltige Tiefe und Komplexität von Systemen wie 3.5 oder
Pathfinder. Ich mag die Anpassbarkeit der Spielercharaktere (und ihrer
Gegner). Genauso wie die taktischen Optionen für den Kampf. Ich sehe das
nicht als inkompatibel zur Art des Old-School-Spiels, aber es ist eine
Herausforderung beides zusammenzubringen.
Was bedeutet „Old School“ für dich?
An was denkst du, wenn du an Old School denkst? Hab
ich irgendwas vergessen oder liege ich völlig daneben? Sollte ich eingesperrt
werden? Lass mich in den Kommentaren wissen was du denkst. Hilf mir ein
tolles Spielerlebnis für Gloamhold
zu kreieren.
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Insgesamt gefällt mir der Artikel gut. Er beschreibt für
mich treffend was Old-School-Spiel ausmacht. An einigen Stellen komme ich zu –
in Details – abweichenden Ergebnissen.
Zum Beispiel beim Karten-Zeichnen. Ich
hatte das immer so gehalten, dass ich als SL Fragmente der Karten aufmale oder
zeige. Die Spieler sollten jedoch den Gesamtkomplex mitzeichnen um sich zu
orientieren und nicht später eine böse Überraschung zu erleben.
Bei der
Superhelden-Geschichte würde ich sagen: Stimmt in Grundzügen. Gerade auf
höheren Stufen werden die SC aber dann auch sehr mächtig. Immortals-Set beim
Mentzer-D&D, anyone?
Bei den Regeln würde ich eher widersprechen.
Old-School-Systeme sind für mich wesentlich. Sie bieten relativ einfache
Regelgerüste, die eben Folgendes erlauben:
Rulings not Rules:
OSR-Spiele kommen gut mit ad-hoc-Regelungen klar. Das meint
insbesondere, dass diese Regelungen nur ganz ganz selten mit den abgedrucken
Regeln in Konflikt geraten. Bei neueren D&D-Versionen und deren
Abkömmlingen dagegen, sind „Rulings“ eher keine empfehlenswerte
Herangehensweise. Wie dem auch sei: Bei mir werden diese ad-hoc-Regelungen
meist aufgrund von Spielerideen oder –wünschen notwendig. Beispiele: Ein
Spieler beschreibt ein bestimmtes Kampfmanöver. Wenn die Aktion für den SC
grundsätzlich realistisch scheint, dann überlegen wir kurz zusammen, welche
regelseitigen Vor- und Nachteile sich daraus ergeben und dann wird gewürfelt.
Das geht schnell, bringt situativ passende Lösungen und stört nicht den
Spielfluss. Wenn dauerhaft der Wunsch nach bestimmten Optionen da ist (in einer
Labyrinth-Lord-Runde kam der Wunsch nach einer aktiven Parade), dann kann das
relativ problemlos in die Regeln integriert werden. Und damit wären wir auch
schon beim nächsten Punkt.
Hausregeln und
Bastelein (Do it yourself):
Dadurch, dass OSR-Systeme wenig komplex und entsprechend
wenige Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Regeln haben, fällt es leicht
Hausregeln (wie „Parade“ in der LabLord-Runde) zu integrieren. Die
verschiedenen Subsysteme und Einzelregelungen bieten jedoch Anhaltspunkte, wie
die Hausregeln sinnvoll zu integrieren sind. Als Beispiel dafür mag mein System
der Spontanzauberei für Lamentations of the Flame Princess herhalten. Insgesamt
erlauben Hausregeln ein Spielsystem an die Wünsche und Bedürfnisse der Spieler
anzupassen. Dasselbe gilt, wenn man für einen bestimmen Hintergrund bestimmte
Elemente in den Regeln abgebildet haben will. Auch hier verweise ich wieder auf
die Spontanzauberei für LotFP.
Was bringen nun Old School Regeln?
Für mich sind die das ideale Zwischending aus Freiform und
regelgeleitetem Spiel. Sicher, OSR-Spiele sind auch nicht unbegrenzt anpassbar.
Zum einen gibt es gewisse basale Regeln, ohne die fettgedruckten Punkte nicht
oder nicht so gut funktionieren. Zum anderen sind Spiele wie FantasyCraft oder
Pathfinder die bessere Wahl, wenn die Spieler
auf viele vorgefertigte Optionen oder Möglichkeiten der regelseitigen
Charakterdifferenzierung stehen.
Zum Schluss gibt’s noch etwas aus dem Bereich der
Spielleitung, wozu oben wenig gesagt wurde. Und zwar das Sprüchlein von
LotFP-Jim:
„My adventures and campaigns will have no pre-set endings.
Characters are not required to act as I wish them to act during the course of
the game. It is natural player behavior to trash scenarios and take the game to
places unforseen.“ (LotFP Deluxe, Referee p. 13)
Meinungen? Kommentare?
Kann ich wunderbar nachvollziehen, insbesondere den Teil mit der Stufe zwischen Freeform und Regeln. Ich schätze auch gerade, dass bei den OSR Sachen die Subsysteme nicht sonderlich miteinander verbunden sind und man daran rumschrauben kann. Manche nennen das lückenhaft, ich nenne das in diesem Fall robust. Seltsam, weil mir eigentlich unterschiedlichste Subsysteme ein Graus sind. Kommt evtl. auf die Menge an. Bspw. SaWo kann ich genau deswegen nicht leiden, obwohl es mir eigentlich vom Grunddesign entgegenkommen müsste.
AntwortenLöschenDanke für die Rückmeldung.
AntwortenLöschen@ Unterschiedliche Subsysteme: Mochte ich eine ganze Weile auch nicht. Irgendwann habe ich dann festgestellt, dass das bis zu einer gewissen Komplexität nicht so wild ist. Und andererseits: D&D 3+ (selbst True20, dem Streamlining ein besonderes Anliegen war) sind bei genauerem Hinschauen gar nicht so subsystemlos, wie man glauben möchte. Die Feats sind nicht nur einfach sowas wie Zauber, sondern folgen eigenen Regeln und lassen sich systemisch auch in verschiedene Typen einteilen (Bonigeneratoren, neue Handlungsmöglichkeiten, ...). Mal ganz abgesehen von den Feat-Ketten, die ja auch wieder sowas wie ein Subsystem sind.
Wobei ich Subsyteme jetzt auch nicht unbedingt schlecht finde. Einheitliche Regelwerke neigen meist zu Abstraktion. Und genau das verringert die Anschaulichkeit und damit auch wieder die Zugänglichkeit.