Sonntag, 23. Dezember 2012

Der Geheimnachtsmann geht um, …



Kurz vor Ablauf meiner Frist werde ich noch den Wunsch-ist-Wunsch-Djinn spielen und den Befehlen des ehrenwerten Tequila nachkommen:

Was könnte ein Drachen/ein Räuberhäuptling/ein Pirat/etwas anderes Ikonisches als Lösegeld für eine entführte Kaufmannstocher verlangen?


Die Vorgabe möchte ich gerne in ein regionales Setting einbinden:

Region und Stadt Almirot
Die Stadt Amilrot (ca. 3.800 Einwohner) ist ein wichtiges Handelszentrum in einer Region, die von Ackerbau (v.a. Getreide) geprägt ist. Seit ca. 120 Jahren bestimmt ein Stadtrat über die Geschicke von Amilrot, welcher sich aus Vertretern der wichtigsten Handelshäusern und Gilden, bzw. Zünfte zusammensetzt. Die Stadt profitiert von dem schiffbaren Fluss, der durch die Stadt fließt, von einigen umliegenden Dörfern, die zur Stadt gehören und am wichtigsten, von der Unabhängigkeit vom regionalen Fürsten, die im Zuge des Hungeraufstandes in der Region vor ca. 120 Jahren erlangt wurde.

Vor 120 Jahren
Infolge mehrerer aufeinander folgender Missernten und der trotzdem hohen Abgabenlast gerieten die Dörfer der Region (und später auch die Stadt) in Armut und Hungersnot. Aus der Not heraus wurden diverse Räuberbanden geboren, die sich in erster Linie gegen die Habschaften des Fürsten und seine Abgaben-Eintreiber, aber auch gegen die „reichen“ Städter richtete. Legenden von plündernden Rachegeistern der in Armut und Hunger Verstorbenen machten die Runde. Man erzählte sich, die räuberischen Rachegeister könnten durch die Luft reiten und an mehreren Orten zur gleichen Zeit sein. Die Legende jedoch beruhte auf v.a. einer der Räuberbanden, die phantasievoll vermummt - im Stande war in militärischer Akribie zuzuschlagen. Diese Bande waren die „Ernteschatten“.

Die Ernteschatten
Anführer dieser Räuberbande war ein verarmter Ex-Militär und Söldner, der die Bauern und andere Mitglieder der Räuberbande militärisch und an den Waffen so gut es eben ging ausbildete. Außerdem hatte er dafür gesorgt, dass „wichtige Personen“ wie reisende Spielleute, ein Dorfschmied, der armselige Zinngießer und Alchimist aus der Stadt, wenn schon nicht dauerhaft, so doch punktuell an seinen Unternehmungen teilnahmen. Geheime Treffpunkte und die Tatsache, dass nur sehr wenige Mitglieder der Bande sich „unmaskiert“ kannten, sorgten für den dauerhaften Erfolg der Truppe.

Die Ernteschatten heute: Nach dem (partiellen) Erfolg der Räuberbanden (die Abgabenlast wurde auf ein erträgliche Maß gesenkt) und des Hungeraufstandes (der eine Sache der Stadt war, letztendlich aber eine Folge der „bäuerlichen“ Raubzüge), lösten sich die Ernteschatten formal auf. Ein kleinerer Zirkel jedoch führte die Bande weiter. Heute leben seine Mitglieder in verschiedenen Dörfern und teilweise auch in der Stadt. Manche haben es sogar zu etwas gebracht und haben einen gewissen Einfluss in der Stadt.


Entführungen & Co.
Wenn die Ernteschatten einen neuen Hauptmann wählen, dann gilt folgendes System:

Anwärter/Bewerber um das Amt müssen zeigen, dass sie das Zeug dazu haben. Die erste Hürde, die sie nehmen müssen ist: Eine gute Entführungs- und Lösegeldidee. (Kaufmannstöchter haben sich als Opfer in der Vergangenheit bewährt. Schließlich ist Almirot eine Handelsstadt.)
Wenn die Bande eine Idee ausgewählt hat, darf sie der Anwärter innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens umsetzten.
Wenn die Umsetzung zur Zufriedenheit der Bande verläuft, wird der Anwärter zum neuen Anführer. Wenn nicht spricht sich die Gemeinschaft für die Idee eines anderen Bewerbers aus, usw.

Zwei besondere Rollen
Der Hauptmann: Er ist auf Lebenszeit gewählt (bzw. bis zur Absetzung, die normalerweise mit seiner Hinrichtung endet). Der Grund dafür ist, dass er beinahe alle Identitäten kennt und darüber hinaus die Vorgehensweisen und Notizen seiner Vorgänger. Er ist angehalten seine Ideen, Taktiken, Vorgehensweisen, besondere Erfolge, … niederschreiben zu lassen.

Der Schreiber: Er verwaltet die Schriftwerke der Bande und macht sie dem Hauptmann allein zugänglich. Da sein Wissen genauso wichtig für die Bande ist, wie es eine Gefahr darstellen kann (falls er zum Verräter werden sollte), ist einerseits seine Identität allen bekannt andererseits genießt er den besonderen Schutz der Gruppe.

[Sollte das entsprechende Regelwerk davon ausgehen, dass ein großer Prozentsatz der Bevölkerung/NSC lesen und schreiben kann, bietet sich die Verwendung der entsprechenden „Gelehrtensprache“ an.]


Aus den Aufzeichnungen um das Ritual der Wahl:
Vergangene Lösegeldforderungen:

  • Ein unauffälliges Boot zusammen mit der Uniform zweier Stadtgardisten.
  • Der Siegelring eines Stadtrates (Kaufmann) dieser musste von der Bande rasch in weiter entfernte Gegenden verkauft werden, da der Kaufmann sein Siegel erneuern und das alte für ungültig erklären ließ.
  • Eine unabänderliche Gesetzesänderung der Stadt zur Erhebung von Schutzzöllen gegenüber Waren von außerhalb der Region Almirot. Diese Aufzeichnung stammt aus der Zeit vor ca. 60 Jahren, als die Landbevölkerung erneut völlig zu verarmen drohte.
  • Drei bestimmte Dörfer mit einem Jahresvorrat an Korn oder Mehl beliefern. Vom Nachfolger des vorangegangenen Eintrags, welcher für 3 Dörfer keine Verbesserung brachte. (Der Hauptmann des obigen Eintrags hatte eine recht kurze Amtszeit.)
  • Die Entwürfe und Ergebnisse eines Alchimisten/Bastlers über eine neuartige und bahnbrechende Waffe. [Es könnte hier um die ersten Schwarzpulverwaffen gehen.]
  • Drei Pferde und die Aufzeichnungen über die jährlichen Besuche der Abgabeneintreiber.


 Ideen für Abenteuer:
  • Die SC sind Mitglieder der Ernteschatten. Nach dem Tod der Ernteschatten möchte einer der SC neuer Hauptmann werden. Die anderen SC unterstützen ihn. [Interessant könnte hierbei das Entwickeln einer Idee – oder für jeden SC eine? - für Entführung und Lösegeld sein, das sich gegen NSC-Ideen durchsetzten muss. Wird die Idee keines Spielers ausgewählt, könnten die SC versuchen NSC-Pläne zu sabbotieren.]   
  • Die SC werden von einem Kaufmann auf die Rettung seiner entführten Tochter angesetzt.
  • Die SC geraten als Durchreisende in die Gegend und finden in einem natürlichen Unterschlupf ein altes, vergessenes Fragment der Aufzeichnungen der Ernteschatten-Bande. Die armen Dörfler klagen derweil über die Abgabenlasten und Schwärmen von der Zeit, da es noch die „Rachegeister der verlorenen Ernte“ gab. Währenddessen wird eine Kaufmannstochter entführt und es werden Söldner für diese Aufgabe gesucht. Ob die Spielerneugier greift?

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Die Konstruktion des Weges von E nach K

Ende Juli, Anfang August habe ich mal versucht aufzuschreiben,
wie ich Abenteuer vorbereite, wie das erste Abenteuer als Einzel-
abenteuer entsteht und möglicherweise zur Kampagne wird.


Vorrede: Mittlerweile rechne ich damit, dass jeder Spielabend der Letzte für das laufende Abenteuer, bzw. die laufende Kampagne sein könnte.
Ich habe einfach zu oft erlebt, dass Spielrunden plötzlich auseinander brechen; dass die Spieltermine für die Kampagne nicht mehr reichen, ehe Mitspieler wegziehen, usw.
Mitten drin aufhören ist ... einfach nur ätzend!
Egal ob als Spieler oder SL.

Deswegen, und weil sich meine für RSP verfügbare Zeit ziemlich reduziert hat, bin ich dazu übergegangen zumindest als SL meine Abenteuer so vorzubereiten, dass jeder Spielabend für sich stehen kann.
Aber nicht muss!

Kurz: Was zu allererst als One-Shot funktionieren soll, trägt schon die Saat der Kampagne in sich. Und darum beschreibe ich in diesem Beitrag zunächst das Vorbereiten von

One-Shot-Abenteuern. 


1. Der Handlungsort (grob)
    In welcher Welt/Gegend spielt das Abenteuer? (+ Regelbezug)
   
    Vorüberlegungen: Was macht das Setting aus? Corestory?
                                  Welche Regeln bestimmen das Spiel und wie?
   
      (Prince Valiant -> Hal Fosters Vision von Artus Britannien; Camelot; 
       Ritterlichkeit; Problemlösung)

      (Warhammer Fantasy -> Bedrohte, dekadente Fantasywelt; Haupt-
       abenteuerschauplatz hat v.a. Bezüge zu Spätmittelalter und 
       Rennaissance; Glücksritter, Normalos, Helden wider Willen;
       From zero to hero and/or into madness and corruption.)

      (Abenteuer! -> Geheimnisumwitterte Märchen-Fantasy mit 
       Sword&Sorcery-Einschlag; Heldenreise; Helden schmieden ihre 
       Legende; Reisen durch arme Fischerdörfer und verzauberte 
       Wälder )

      Region des Abenteuers:
           Kurze Beschreibung der Region, in der das Abenteuer stattfinden soll.
           Was macht die Region aus? Wer lebt dort wie?
           Was sind die grundlegenden Konflikte?

     Grobe Skizze der Region:
          Was geht konkret in der Gegend ab?
          1-2 verortete Probleme, evtl. Monsterbehausungen,
          Abenteueraufhänger (je 1 Satz).


2. Das Abenteuer
     Startpunkt des Abenteuers festlegen
          Evtl. Kartenmaterial, grobe Skizze, rundimentäre Beschreibung
          (mindestens im Kopf)
          Was ist am Einstiegsort los? 3-4 NSC; übergeordnetes Problem;
          

     Bezug der SC zur Spielwelt
          Wie sind die SC zum Handlungsort gekommen?
          Was machen/wollen sie da?

      Le problème
           Mind. ein konkretes Problem skizzieren + ca. 2 weitere Aufhänger
           ausarbeiten.
           Was könnten erreichbare Aufgaben + Ziele der SC werden, wenn
           sie auf die vorbereiteten NSC, Orte, Probleme + Konflikte stoßen?


3. Das Spielmaterial
      Handouts und Karten fertig machen (falls benötigt)

      NSC-Beziehungsnetz (zumindest die wichtigsten Personen, mit Fokus
      auf die im Hintergrund agierenden NSC = diejenigen, welche ihre Agenda
      in erster Linie außerhalb der Aufmerksamkeit der Spieler betreiben.)

      Evtl. Zeitplan für Ereignisse und NSC-Handlungen, Zufallstabellen

      Namensliste vorbereiten und für's Spiel bereithalten

      "Blanko"-Werte vorbereiten (z.B. für Bettler oder Stadtwachen), damit
      diese "on the fly" zu namenstragenden NSC werden können oder als
       namenlose Gegner der SC benutzt werden können.


4. Von der Vorbereitung zum Spieltisch
     Wie kommen die Spieler zu ihrem SC?
            Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, aus denen der SL
            eine wählen sollte. Sinnvoll erscheinen mir Folgende:

            a) Kurzes gemeinsames Bauen der SC in der Gruppe (nur bei
                Spielen mit wenig aufwändiger Charaktererschaffung zu empfehlen.)

            b) Grob vorgefertigte Charaktere, die von den Spielern noch aus-
                 staffiert werden müssen. (Einzelne Werte, Persönlichkeit, Herkunft,
                 Teile der Ausrüstung)

            c) Fertige Charaktere, deren Werte interpretiert werden müssen,
                Charaktereigenheiten, Hintergrund.

             d) Komplette SC mit festgelegter Persönlichkeit und Hintergrund.
                 Einzelne Details dürfen aber auch hier von den Spielern verändert
                 werden. (Das darf auch große Wirkung zeigen.)

            => Das dafür benötigte Material sollte der SL vorbereitet zur Spiel-
                  sitzung mitbringen.

      Beschreibung von Setting, Regeln und Charaktergenerierung
             Sobald sich der SL für eine der Art der Charaktererschaffung
             entschieden hat geht es so weiter:

             i) Zusammenfassung und Weitergabe an die Spieler dessen,
                was sich der SL unter 1. Vorüberlegungen erarbeitet hat.

             ii) SC erschaffen

             iii) Regeln erklären

             iv) Zusammenhang zwischen Setting und Regeln

             v) Was wird erwartet, dass die Spieler tun? Wie bringen sie
                  sich ins Spiel ein? Stickwort: Player Empowerment.

      Startsituation beschreiben
             Kurzer Überblick für die Spieler über die bespielte Region.

             Integration der SC in die Region erklären (aus dem Charakter-
             hintergrund; Was tun sie jetzt hier? Warum sind sie hier? In
             welcher Funktion (soziale Rolle)?


Ab hier sind alle Vorüberlegungen, Bastelarbeiten & Co. abgeschlossen.
Es kann mit dem Spiel losgehen.
Meine Gedanken zum Spieleinstieg und
bezüglich der Weiterentwicklung des One-Shots zur Kampagne folgen ...



Nachwort: Meiner Erfahrung nach ist es absolut nicht notwendig alle
beschriebenen Schritte schriftlich abzuarbeiten. Wichtig ist jedoch,
dass Le problème, Das Spielmaterial, und Wie kommen die Spieler zu ihrem SC?  
gut vorbereitet ist.




Montag, 7. Mai 2012

Hinein ins Abenteuer!

Im Februar hat Norbert G. Matausch das Rollenspiel "Abenteuer!" veröffentlicht. Nachdem ich vor kurzem mein gedrucktes Exemplar erhalten habe, wird es Zeit das Spiel zu beäugen.


Vorrede
 Zu meinem rollenspielerischen Background: Mit einem kurzen Gastspiel in einer AD&D 2nd Runde begann vor ca. 11 Jahren mein Einstieg ins Hobby. Etliche Zeit später habe ich das freie RSP "Daidalos" geleitet. Kurz darauf kamen RISUS und Spotlight 24h dazu.

Zu meinen heutigen Lieblingsspielen zählen: Prince Valiant, Everway, Solar System, Lamentations of the Flame Princess und WFRP 2nd.
Kurz: Old School + Freiform + ein Schuß Indie ist meine Heimat geworden, bzw. geblieben.

Meine Erwartungen an Abenteuer!
 "Spielt, als wäre es 1984!" Für mich verspricht dieser Slogan, dass es sich bei Abenteuer! um ein Spiel handelt, das einsteigertauglich ist eine gewisse "do-it-yourself"-Haltung vermittelt.
Als jemand der die Sachen von Norbert kennt, erwarte ich auch, dass ein gewisser Anteil Freiformerei zum Zuge kommt.
Abenteuer! scheint genau in mein Beuteschema zu fallen. Besonders, weil ich immer noch nach einem Spiel suche, das ich mit 8- 3-jährigen im Zeltlager spielen kann/könnte.

Dann mal los!


Äußerlichkeiten 
Die gedruckte Fassung von Abenteuer! ist als 88-seitige A5-Broschur erhältlich. Kostenpunkt: 14 Euronen + 2 für Verpackung und Versand.


Bebilderung: Zuerst fällt das tolle Cover ins Auge. Es handelt sich dabei um eine (gemeinfreie) Illustration des russischen Künstlers Ivan Bilibin († 1942). Grandios! Nicht zuletzt deshalb, weil das Bild, wie das Spiel, versucht Abenteuer im märchenhaft-bodenständigen Kontext zu beschreiben. Leider ist die Cover-Illu verpixelt.
Im Inneren des Buches finden sich Schwarz-Weiß-Bilder, die der Spieleautor selbst mit Online-Programmen gemalt hat. Nicht die große Fantasy-Kunst, aber hübsch gemacht. Die Bilder, in ihrer schlichten und simplen Nebel-Spinnenweb-Optik passen recht gut zum Spiel. Nur: Es sind zu wenige!

Das Layout ist an und für sich recht klar und einfach gestrickt. Hervorhebungen im laufenden Text (fett und groß) erleichtern das Nachschlagen. Mir persönlich gefällt das gut, auch wenn dadurch die Zeilenabstände nicht mehr ganz stimmen und der Text ein klitzekleinwenig unruhig wird. Wer sich dran stört, darf sich gerne die Auszeichnung "Kritikasper" an die Brust heften.
Desweiteren ist jede Seite nach Kapitel beschriftet. Gemeinsam ersetzten Hervorhebungen und nach Kapitel beschriftete Seiten das Inhaltsverzeichnis. Ein Glossar oder einen Index gibt es nicht. Und im Falle von Abenteuer! ist das auch gut so! Weder das eine noch das andere hätte irgendeinen Mehrwert.
            Zu den (meist Zufalls-)Tabellen braucht nicht viel gesagt werden. Passt. Lediglich dem Namensgenerator für Zaubersprüche hätte eine richtige Tabelle spendiert werden sollen.
Zwei Sachen gibt es noch, die mir nicht gefallen: Die Kapitelanfänge und die Spielbeispiel-Kästen. Auf der ersten Seite eines jeden Kapitels findet sich deren Titel samt Untertitel. Der Titel ist dabei graphisch aufbereitet und auf modern und hip gebürstet. Unpassend. Nicht ganz so schlimm, aber dennoch störend: Die Spielbeispielkästen mit stark gerundeten Ecken. Runde Formen und graphische Elemente sucht man abseits davon vergebens.



Innere Werte
Genug nun von den äußeren Dingen. Ich will mich nun der inhaltlichen Seite des Büchleins zuwenden.

Abenteuer! hat folgende Kapitel:
  1. Wer bist du? (Charaktererschaffung) - 17 Seiten
  2. Wie kämpfst du? (Kampf) - 5 Seiten
  3. Wie gut bist du? (Probenmechanismus) - 2 Seiten
  4. Wohin gehst du? (Charaktersteigerung) - 1 Seite
  5. Abrakadabra (Zauberei und Wunder) - 9 Seiten
  6. Die Rüstkammer (Regeln zum Festlegen von Preisen und Dungeonpunk-Kram) - 3 Seiten
  7. Optionales (Rettungswürfe, Konvertierung von cD&D-Sachen, Wettertabellen) - 4 Seiten
  8. Monsterlich (Kurzpräsentation von 6 Monstern) - 1 Seite
  9. Auf ins Glück (Tipps und Fragmente zum Bau von Spielwelten und Abenteuern) - 16 Seiten
  10. Charakterbogen - 2 Seiten
  11. Zusatzregeln (Zusätzliche Ideen und (Alternativ-)Regeln) - 8 Seiten
Interessant ist, dass es nach einem kurzen Vorwort des Autors gleich mit der Charaktererschaffung weitergeht. Eine Klärung der Fragen "Was ist ein Rollenspiel?" und "Wie spiele ich nun das Spiel?" findet nicht statt. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass Abenteuer! sich gar nicht an Rollenspiel-Neulinge richtet. Ich jedenfalls vermute, dass der Autor erwartet, die Leser seine Büchleins wüssten bereits, wie Rollenspiele funktionieren. Schade. Für mich wird da Potential verschenkt und die Zielgruppe ohne Not eingeschränkt.  

Doch nun zu den einzelnen Kapiteln:


WER BIST DU?
Das Kapitel beginnt mit einer Grafik, die wohl das Auswürfeln eines Spielercharakters darstellen soll. Nette Idee, aber so ganz ohne Erklärung mag mir das nicht wirklich gefallen. Nur wer Rollenspiele schon recht gut kennt und weiß, wie die Ermittlung der Spielwerte bei der Charaktererschaffung normalerweise läuft, kann was damit anfangen.

Danach werden die einzelnen Heldenklassen beschrieben und welche Wertevoraussetzungen bestehen, um sie spielen zu dürfen. Zu den Klassen gehören, ganz nach Old-School-Manier, sowohl "Professionen" wie Druide oder Abenteurer als auch "Rassen" wie Zwerg oder Hobbit. Grundsätzlich sind die Klassen kurz, knapp und ansprechend erklärt. Beim Geweihten ist von der Spezialfertigkeit "Bekehren" die Rede. Leider taucht sie später nicht mehr auf. Doch damit der Probleme nicht genug: Es treten erste Irritationen in Bezug auf Zauber und Wunder in Erscheinung. Was heißt denn z.B. beim Lichtelfen "+1 auf poitive Magie" ?

Im Weiteren gibt es Erläuterungen zu den anderen Vordurcken auf dem Charakterblatt, wie "Lebenskraft", "Abenteuerpunkte", "Vermögen" oder "Angriff". In meinen Augen sind sie etwas zu knapp geraten. Es gibt nämlich keine Erklärung (auch später nicht) was z.B. "Angriff 10" im Rahmen der Regeln bedeuten soll.
Gut gelungen ist, dass der Autor den Leser, der bis hierher gelesen hat, durch den Prozess der Heldengenerierung führt. Hat Letzerer bis hierher gelesen und mitgeschrieben, so hält er seinen (ersten) Abenteuer!-Charakter in der Hand. Der Übertrag der Notizen in den Charakterbogen wird auf der nächsten Seite in einem Schaubild dargestellt. 
Der Leser, bzw. Spieler kann seinen Helden dann noch mit (normalerweise einem) klassenspezifischen Talent ausstatten. Krieger, Barbaren und Geweihte kriegerischer Gottheiten dürfen zusätzlich einen Kampfstil erhalten.

Auch wenn der Autor die einmaligen Charaktertalente und die Kampfstile "optionale Regeln" nennt, so muss ich doch sagen, dass ich sie für die Seele der Charaktergenerierung halte. Talente wie "In vollem Lauf: Normalerweise kann man entweder schnell laufen oder zuschlagen. Der Krieger mit diesem Talent darf einen Angriff machen, während er läuft." erlauben coole Aktionen. Sie zeigen, wie und in welchen Situationen ein Charakter nach den Wünschen des Spielers glänzen soll. Die Talente sind auch nicht vollends ausdefiniert sondern lassen der Phantasie des jeweiligen Spielers viel Raum.
Ärgerlich sind die Magier-Talente "Blutmagie" und "Lieblingszauber". Mir ist nicht klar, warum der Magier Lebenskraft in Zauberpunkte umwandeln sollte (was "Blutmagie" erlaubt). Die Zauberregeln im Kapitel Abrakadabra sehen schließlich nicht vor, dass Magier (oder Druiden, die das Talent auch nehmen können) mit Zauberpunkten Magie wirken. "Lieblingszauber" ist auch so ein Talent, dass mich ratlos zurück lässt. Warum sollte ich für den Lieblingsspruch meines Magiers eine Erleichterung auf die Zauberprobe haben wollen, wenn beim Zaubern gar keine Probe nötig ist. Seltsam.
Die Kampfstile bestehen aus einem Text, der grob beschreibt, wie ein Charakter kämpft/kämpfen könnte und bieten einen Spezialeffekt, der bei einem bestimmten Würfelwurf ausgelöst wird. Cool! Und: Man merkt der Autor hat Ahnung von der Materie!


WIE KÄMPFST DU?
Die harten Kampfregeln beschränken sich auf den einfachen Mechanismus: Würfele einen W20. Ist das Ergebnis größer oder gleich der Schwierigkeit, die der SL festgelegt hat, verwundest du deinen Gegener. Der SL darf je nach Umständen deinem Ergebnis Punkte hinzuaddieren oder abziehen.
Ein Wurf von 20 löst einen Spezialeffekt aus. Eine 1 ist ein Patzer.
Alles Weitere im Kapitel dreht sich um Tipps bezüglich Regelabsprachen in der Spielrunde hinsichtlich Tödlichkeit, Variation der Regeln, ... und um Spielbeispiele.

Insgesamt bietet das Kampf-Kapitel einen einfachen Mechanismus, aber kein belastbares Kampfsystem. Ein wenig mehr an Regeln, an denen sich eine Spielrunde orientieren kann, wäre sinnvoll - vielleicht sogar nötig gewesen. Ich hab jedenfalls schon Ideen, wie ich diesen Mangel beheben will.
Der Hinweis auf Absprchen ist gut. In viel zu vielen Rollenspiel-Regelwerken wird vergessen, dass die Regeln letztendlich das sind, was die Gruppe draus macht. Das, was sie zur Basis, zum verlässlichen Fundament ihres Spiels machen.


WIE GUT BIST DU?
Der Mechanismus W20 größer-gleich Zielwert wird auch für die Abwicklung anderer Aktionen wie z.B. Klettern verwendet. Gefällt mir wegen der fehlenden Anbindung an die Eigenschaften nicht so gut.
Ich würfle so: Grundchance ist kleiner-gleich Eigenschaft (in Anlehnung an die Charaktertalente-Regeln*).

* Die besonderen Talente kommen häufig bei einem Wurf von 12 oder weniger auf dem W20 zum tragen.


WO GEHST DU HIN?
In diesem Kapitel wird auf einer Seite beschrieben, wie ein Charakter sich verbessert. Nichts Weltbewegendes. Ein bißchen freie Steigerung, ein bißchen Zufall.
Wann ein Charakter die Möglichkeit hat sich zu verbessern hängt von gesammelten .den Abenteuerpunkten (stellenweise auch Erfahrungepunkte genannt) ab. Konkrete Hinweise, wieviele Punkte der Spielleiter pro Spielabend vergeben sollte gibt es nicht. Ich würde mich einfach an der optionalen Regel orientieren und erstmal bei 50 ansetzen. Letztendlich kann jeder Spielleiter einfach mal durchrechnen, wie schnell er - bzw. die Spielrunde als Ganzes-  will, dass die Helden sich verbessern.
Es gibt noch eine Formel zur Berechnng der benötigten Abenteuerpunkte für die nächste Stufe. Die stimmt in der gedruckten Fassung leider nicht mit der Tabelle, auf die sie Bezug nimmt, überein. In der Online-Fassung wurde der Fehler bereits behoben.


ABRAKADABRA
Here comes the magic. Zuerst werden die Zauberkundigen besprochen, welche ohne Zauberpunkte auskommen. (Das sind alle außer Geweihten.) Diesen wird abhängig von ihrere Stufe eine bestimmte Zahl an Zaubern zugeordnet, die sie kennen und die sie pro Tag wirken können. Das sind zwei unterschiedliche Zahlen. Auffällig ist, dass in Abenteuer! Zauber nicht schiefgehen können. Es kann höchstens vorkommen, dass Rettungswürfe der Gegner verhindern, dass ein Zaubereffekt zum tragen kommt.
Die Sprüche in Abenteuer! erdenken sich die Spieler von magiefähigen Charakteren und/oder der SL selber aus. Als Hilfsmittel gibt es lediglich einen Spruchnamen-Generator. Mir persönlich gefällt diese freiformige Herangehensweise ziemlich gut. Das Spielbeispiel schafft es, die Funktionsweise von Magie zu erklären. Trotzdem wären ein paar Beispielsprüche schön gewesen.

Geweihte haben deutlich umfangreichere Regeln. Sie müssen mit Spruchpunkten hantieren. Am Ende funktioniert das Wirken von Wundern so:
Der Geweihte ruft einen Gott an und erbittet seine Hilfe. Der Spieler legt die Gottheit und den Effekt fest und würfelt, ob die Gottheit den Helden hört. Ist das so, dann wird die Stimmung der Gottheit (modifiziert durch gute und schlechte Faktoren wie Handlungen des Geweihten oder Zuständigkeit der Gottheit) durch einen Würfelwurf ermittelt. Die Reaktion der Gottheit und eventuell anfallende Kosten in Form von Zauberpunkten wird dann nochmal ausgewürfelt.
Jede Anrufungsprobe nach der ersten wird immer mehr erschwert. (Ich nehme an, dass diese Regel pro Tag gilt - analog zu den andernen Zauberkundigen. Andernfalls könnte der Geweihte irgendwann gar keine Wunder mehr wirken.) Zauberpunkte regnerieren sich durch Gebetszeiten.
Mir gefällt die Regelung soweit ganz gut. Die drei Würfelwürfe kann man durchaus ohne Meckern in Kauf nehmen.


DIE RÜSTKAMMER
Das Kapitel behinhaltet Regeln zum erstellen von Preisen/Preislisten. Einfach und effektiv. Dass die Idee, die Kosten nach der Anzahl der Silben zu berechnen, anderswo (Vornheim) her ist: Wayne!
Angehängt, unter der Seitenbeschriftung "Notizen und Ideen" finden sich Ideen zu dampfbetriebenen Dungeonpunk-Prothesen. Warum nicht. So ganz passt es zwar nicht, aber als Blick über den Tellerrand kann man das schonmal einbringen.


MONSTERLICH!
Hier wird gezeigt, wie Monster in Abenteuer! aussehen können. Für mich ist das nicht mehr - aber auch nicht weniger - als eine Hilfe zum Erstellen eigener Monster. Passt!


AUF INS GLÜCK!
In erneuter Anlehnung an Ideen des Vornheim-Autors präsentiert Norbert G. Matausch die Entwicklung der Spielumgebung am Spieltisch. Aus einem Abenteuereinstieg und einem Abenteuer (da sind Erstellungstipp mit drin!) entsteht nach bestimmten Kriterien nach und nach eine Spielwelt. Beispiele für bestimmte Regionen aus dem laufenden Spiel des Abenteuer!-Urhebers sind stichpunktartig abgedruckt. Toll! Da bekommt man schon ein ganz grobes Bild, wie das eigene "Land des Abenteuers" aussehen könnte.
Der Artikel zur "Hotzenplotzigkeit" skizziert beispielhaft eine Spielweise und deren Prämissen, die mit Abenteuer! möglich ist. Eine gute Inspirationsquelle für jeden, der sich vorstellen kann mächenhaft Bodenständiges zu spielen. Mir gefällts. Auch wegen des Ausblicks, der aufgezeigten Schnittstellen zur Sword & Sorcery und zur Dark/Weird Fantasy.
Die darauf folgenden Zufallstabellen sind mal mehr mal weniger hilfreiches Material für's laufende Spiel.
Brauchbar.


CHARAKTERBOGEN
Der ist zweckmäßig. Punkt.


ZUSATZREGELN
Eigentlich handelt es sich in diesem letzen Kapitel mehr um eine Ideensammlung. Um Zusätze, die in die anderen Kapiteln nicht mehr so recht reinpassen wollten. Da gibt's ganz "old-schoolig" Titel für Helden entsprechend ihrer Stufe. Neue Kampfstile und Ideen für eine Kampagne mit Kung-Fu-Anteilen. Eine Tabelle, die beschreibt, was passiert, wenn ein Charakter 0 oder weniger Punkte Lebenskraft hat. Was zu Fertigkeiten. Zu guter Letzt gibt's noch die volle Dröhnung Freiform-Regeln in ganzen 4 Sätzen.
Ein schönes Feuerwerk zum Schluß.


Fazit 
Ich muss gestehen, es fällt mir nicht leicht Abenteuer! zu beurteilen. Deswegen rede ich einfach frei heraus: Abenteuer! ist ein Spiel, das tolle Ansätze hat. Seit langem hat mich kein Rollenspiel mehr so begeistern können, hat so gut einfangen können, was mir am Herzen liegt. Die "einmaligen Charaktertalente" lassen Charaktere entstehen, die Spaß machen, die Lust machen sie ins Abenteuer zu werfen. Da ist Raum für die eigene Phantasie, viel Raum. Es gibt keine abstrakten, verquasteten oder durchgestylten Regeln, die im Weg wären.
Dennoch: An einigen Stellen fehlt es den wenigen Regeln an Konsequenz und Verlässlichkeit. Es fehlt an Orientierungshilfen für das Spiel am Spieltisch selbst. Etwas, an das sich die Spieler anlehnen können und das nicht der SL ist.
Abenteuer! nimmt für mich die Visionen, die das Rollenspiel 1984 noch hatte auf, bringt sie aber nicht konsequent zu Ende. Für Einsteiger - und die wurden in den 80ern bedacht - kommt es leider nicht in Frage.


Kurzum: Mittelfristig will ich eine neu bearbeitete Auflage. Ich will endlich ein Spiel, das Rollenspiel erklärt, das den "sense of wonder" zu vermitteln mag. Ein Spiel, das Old School und Freiform zusammen bringt.
Ein Spiel das ABENTEUER! ist. Dafür bin ich auch gern zur Mitarbeit bereit.