Dienstag, 22. März 2016

Doom Sticks

  

Blut_und_Glas von d6ideas hat das Blogstöckchen mitten in die Zauberferne geworfen. Die 10 plus 2 Fragen will ich gern beantworten:


1. Welches Rollenspielprodukt hat dich persönlich am meisten geprägt?
Wahrscheinlich das Warhammer Fantasy-Rollenspiel (Feder & Schwert). Es war - glaube ich - mein erstes kommerzielles Rollenspielprodukt. Auf jeden Fall das erste, das ich als SL verwendet habe.

Was mich dabei geprägt hat: 

A) Die Übersetzung:
Nicht nur, dass sich der Text absolut flüssig liest, es wurden sogar Wortspiele geschickt übertragen und Bild-Texte (GRW S.236) übersetzt. Die Errata wurden fleißig von dem Fans im Forum "Die Alte Welt" gesammelt und neben den englischen Errata bei den Nachdrucken berücksichtigt. Das Layout wurde etwas verändert: Grausige gelbe Kapitelüberschriften mit roter Umrandung wurde ersetzt durch schwarze mit roten Anfangsbuchstaben. Das Auge dankt! Kapitel wurden - anders als im Original mit ganzseitigen Illustrationen eingeleitet.

Für mich immer noch der Maßstab, an dem sich alle anderen Übersetzungen von Rollenspielen messen lassen müssen. 

B) Regeln, Setting & Co:
Die zufallsbasierte Charaktergenerierung, die insgesamt recht ausgewogen daherkommt und life-path-artige Ergebnisse liefert. Sie zwingt dazu assoziativ eine interessante Figur zu entwickeln und unterbindet schon dadurch "mary-sue-artige" Phantasien, die bei "Point-Buy" gerne ihren Lauf nehmen.

Das Karriere-System, das temporäre Klassen bietet, die - abhängig von Spielereignissen - angenommen werden können oder nicht. In Verbindung mit dem Wahnsinns- und Mutations-System kommt daher wahrscheinlich auch meine Vorliebe für sich v.a. verändernde Charaktere, die sich wertetechnisch nicht unbedingt verbessern müssen.

Das Setting (i.V.m. der Vorgängerversion), das Fantasy, Elemente aus unserer Geschichte, schwarzen Humor und seltsame phantastische Einfälle kombiniert, lässt noch immer viel Freiraum für eigene Ideen und bietet viele spielerische Möglichkeiten.  
 
... nicht zu vergessen sind auch die Spiele mit denen ich eigentlich zu spielen angefangen habe: Das Freiform-Spiel Daidalos, das Indie-Spiel Spotlight 24h und RISUS.

2. Was ist die beste Regel, die dir je in einem Rollenspielsystem untergekommen ist, welches die schlechteste?
Puh, die "Beste" ist wirklich schwer.
Ich stelle der oder dem Lesenden einfach mal zwei Antworten zur Auswahl vor:

Special Effects (Prince Valiant Storytelling Game) oder Paths [Antwort zu Nr.24] (The Shadow of Yesterday / Solar System). Gemeinsam ist den beiden Regelmechanismen, dass sie Spielern über den Spielprozess Mitbestimmung geben - in Bezug auf das, was im Spiel wichtig ist.

Die schlechtste Regel ist einfach: 
Variationen der goldenen Regel, die auf Folgendes hinauslaufen:
"Der SL hat immer Recht." Und: "Der SL darf die Regeln jederzeit weglassen, verändern, ergänzen, wie er gerade lustig ist." Wobei es auch gute Versionen [ganz unten] davon gibt.

Alternativ: 
Die absolute Hoheit der Spieler über ihre Charaktere und die der Spielleitung über die Spielwelt. Für mich verhindert das interessante spielerische Herausforderungen. Außerdem zementiert es "Der SL ist für alles außer die Helden verantwortlich. Spielvorbereitung ist SL-Sache."

3. Wenn du heute nochmal eine Spielrunde starten könntest, die inhaltlich und vom Stil her genau so läuft wie deine allererste, würde das funktionieren? Warum? 
Nein. Die allererste Runde bestand aus zwei oder drei Abenden AD&D 2nd. Die Gruppe war am zerbröseln. Die Regeln waren - zumindest mir - damals nicht wirklich bekannt. Es gab zum Thema "in-character sprechen" fundamental unterschiedliche Auffassungen in der Gruppe. Als erste Versuche Rollenspiel zu spielen war das für mich OK. An und für sich würde ich aber nicht absichtlich eine nicht lebensfähige Gruppe ins Dasein rufen wollen.

4 . Was vermisst du heute am Rollenspiel, was vor 20 Jahren (bzw. in den ersten Jahren, als du angefangen hast) noch anders und viel besser war?
Das sind zwei Fragen. Aber gut. 

Vor zwanzig Jahren
Es gab Rollenspiele im Spielwaren-Laden. Wenn auch nur DSA. Aber immerhin.

Ca. 2001
Das FERA (Forum enagagierter Rollenspiel-Autoren) und die zugehörigen Wettbewerbe, die vermisse ich. Insbesondere betrifft das die in 24 Stunden geschriebenen Rollenspiele. Wir hatten damals ein paar davon gespielt. Das oben erwähnte Spotlight 24h gehört dazu. Mittlerweile sind die Spiele nicht mal mehr online als PDF zu finden. Schade.

5. Welche Settings sind im deutschsprachigen Raum deiner Meinung nach völlig unterrepräsentiert? 
Science Fiction und historische Fantasy.

6. Welches ist dein Lieblingswürfel und warum?
Der W4. Weil ich den als Münzersatz für das Prince Valiant Storytelling Game nutze. Wie Münzen fällt er eher, als dass er wie ein "gewöhnlicher" Würfel rollt. Außerdem war das jahrelang mein Karma-Würfel bei Earthdawn, wo ich - die meiste Zeit - einen Troll-Troubadour gespielt habe.

7. Wenn es Pen&Paper Rollenspiele nicht geben würde, was hättest du mit der Zeit, die du in das Hobby investiert hast, gemacht?
Ich hätte wohl mehr Tabletop, Wargames und Erzählspiele gespielt und hätte dafür Kram gebastelt und geschrieben. Also im Prinzip würde ich mich trotzdem irgendwie mit Rollenspiel beschäftigen.
(Siehe dazu das Stöckchen bei Blut_und_Glas, Fragen #7 und #1.)

8. Gibt es einen Spielercharakter, der dir in all den Jahren in Erinnerung geblieben ist? Warum?
Einen? Viele! Neben denen, die ich gespielt habe auch die der Mitspieler:

Eigene:
Earthdawn 1: Taakrudnir Nagskjegg vom Clan der Blutweisen (Troll, Troubadour), Valdaron (Elf, Schwertmeister)
WFRP 2: Varro Morriando (Estalischer Diestro, Mensch)
Schattenjäger: Hal (Psioniker [Telepathie/Prophetie], Urzeitweltler)
Star Wars (Savage Worlds/FFG SW): Dhar Roonen (Baran-Do-Vollstrecker, Khel Dor)

Von Mitspielern:
ED1: Lavinia (Elfe, Scout), Tolan (Magier, Elf), Halfdan (Elemetarist, Zwerg), Krul (Troll, Krieger), Joriel (Scout, Windling), Thorr (Obsidianer, Krieger)
Star Wars SaWo: Shu'ek Mar (Techniker, Mon Calamar), Rak-Sha (Jedi, Zabrak), Resha Yad Sulla (Schmugglerin, Mensch)
Schattenjäger: Trabi89 (Techpriesterin),

Von Spielern:
WFRP2: Finn (Fanatiker), Sir Taran (Adeliger), Pamina (Schurkin), // Hubert Humpelfuß (Schmuggler, Halbling), Rodrik Zausel (Bader), Elfrida (Seherin), Peter pral de Morack (Kopfgeldjäger), Alfrida Krean (Laienpriesterin - Rhya) // Colco Bur (Dieb), Memiselvandi (Kurier, Halbling), Alvin Sisusang (Zauberlehrling - Amethyst Orden)
LotFP: Fujika Toh (Schurkin), Haudruff (Krieger),
Prince Valiant: Sir Lamorak (Ritter)

Die Gründe sind ganz unterschiedlich:
Savage Star Wars: Die Gruppe hat unglaublich gut harmoniert. Die Charaktere haben über die Zeit einen eigenen Charakter bekommen. Kurz: Wir haben gerockt wie das A-Team!

Earthdawn: Spieler-Ticks! - sowohl in Bezug auf das Charakterspiel als auch bezogen auf das Verhalten der Spielenden. Explodierende Würfel, die mal für besondere Taten und mal für besondere "Prügel" gesorgt haben.

9. Gibt es einen Nichtspielercharakter, der dir in all den Jahren in Erinnerung geblieben ist? Warum?
L5R 3: Windfeder (Ronin, Ex-Löwen-Clan)
ED1: Hithorn (Windling, Dieb - Informationshändler & Betreiber des Blauen Fasses in Märkteburg)
WFRP2: Vater Andagiz (Mórr-Priester)
...

Cause they ars ... memorable characters. 

10. Wird Pen&Paper auch in Zukunft noch den selben Stellenwert für dich persönlich haben?
Ich erwarte Verschiebungen. Die Zahl der Spiele wird sich konsolidieren. 
Der Stellenwert insgesamt wird eher sinken. Dafür erwarte ich aber insgesamt mehr Spielrunden.

Kurz: Ich erwarte eine Verschiebung von der Theorie zur Praxis.




Bonus:
I. Die Grenzen zwischen Rollen- und Brettspiel sind fließend, so kann man etwa mit GURPS die Schlachten gegen den Riesenpanzer Ogre nachspielen, mit Lords of Waterdeep in die Intrigen der Forgotten Realms eintauchen oder mit Doomtown um die Kontrolle der Stadt Gomorra in Deadlands kämpfen. Wo sähest Du gerne eine Umsetzung vom Rollen- zum Brettspiel (oder umgekehrt), und wie sähe diese aus?  
Clockwork & Chivarly 2nd als Tabletop fände ich schon reizvoll. Andererseits wären die Regeln, die es dafür bräuchte, für Shotte & Pike auch schnell gebastelt. Dass das noch nicht Realität geworden ist, liegt wohl auch daran, dass a) mein Interesse nicht groß genug ist, b) mir Tabletop-Spieler fehlen und c) ich ohnehin Clockwork & Chivalry 2nd noch nicht spielen konnte.

Uups ... Die Frage war ja "Brettspiel". Naja. Für's Tabeltop braucht man auch mindestens ein Brett. 

... Dungeon Crawl Classics RPG könnte ich mir gut als Dungeon Crawl Brettspiel vorstellen. Gerade die zufällige Mächtigkeit von Zaubern, die Fragilität von Stufe-0-Charakteren würden für ein abwechslungsreiches Spielerlebnis sorgen.

II. Bleiben wir beim Brettspiel: Während (meiner Meinung nach) im Rollenspiel bei den Kernmechanismen in Form von Zielwurf, Unterwürfeln, Gummipunkten oder ähnlichem oftmals große Ähnlichkeiten zwischen den Systemen vorzufinden sind, gibt es bei Brett- und Kartenspielen eine ungeheure Vielzahl von Mechanismen und Variationen. Gibt es einen Mechanismus aus einem Brett- oder Kartenspiel, der in Deinen Augen die Möglichkeiten von Rollenspiel lohnenswert erweitern würde?
Als Indie-, Freiform-, OSR-, Erzählspiel- und W100-Spieler, der mit den großen Systemen wenig anfangen kann, würde ich der Theorie der sehr ähnlichen "Kernmechanismen" widersprechen. Wenn auch nicht in grundsätzlicher Weise.

Ich sehe jetzt schon viele Analogien zu Brett- und Kartenspielen. Die Powers in D&D 4 funktionieren für mich ein bißchen wie das "Magic-Prinzip". "Sammelkarten" gibt es bei Gamma World 4E. Die vielbenutzten Siegpunkte im Brettspiel entsprechen für mich in etwa den Erfahrungspunkten im RSP. QED. Man muss nur ein bißchen die Augen offen halten. Vieles kann man auch einfach so ins Rollenspiel einbringen. 

Gerade die OSR-Philosophie, eher Spieler-Fähigkeiten statt Charakter-Fähigkeiten anzusprechen, ist ein Ansatzpunkt, an dem man weiterbasteln kann. Ubongo als Türpuzzle im Dungeon, der einstürzt und das deswegen in kurzer Zeit gelöst werden muss - würde mir spontan einfallen.

Mehr als die Mechanismen würde ich gern die Präsentation von Brettspielen abgucken. Eine Box mit nützlichen Zeug drin (so wie das die viel zu sehr auf "deluxe" gebürsteten Indie-Spiele der Narrativa-Reihe von Ulisses gehtan haben) wäre schon toll. Stattdessen stehen Rollenspiele zunehmend in der Gefahr Artbooks mit wenig spielbaren Regeln zu werden.



 
Das Stöckchen fliegt!
Die Fragen gehen mit Bonus-Fragen weiter an: Dirk von Mondbuchstaben, Oger in seiner Ogerhöhle und Norbert von Analogkonsole. Happy Suffering!

1. Welches Rollenspielprodukt hat dich persönlich am meisten geprägt?
2. Was ist die beste Regel, die dir je in einem Rollenspielsystem untergekommen ist, welches die schlechteste?
3. Wenn du heute nochmal eine Spielrunde starten könntest, die inhaltlich und vom Stil her genau so läuft wie deine  allererste, würde das funktionieren? Warum?
4. Was vermisst du heute am Rollenspiel, was vor 20 Jahren (bzw. in den ersten Jahren, als du angefangen hast) noch anders und viel besser war?
5. Welche Settings sind im deutschsprachigen Raum deiner Meinung nach völlig unterrepräsentiert?
6. Welches ist dein Lieblingswürfel und warum?
7. Wenn es Pen&Paper Rollenspiele nicht geben würde, was hättest du mit der Zeit, die du in das Hobby investiert hast, gemacht?
8. Gibt es einen Spielercharakter, der dir in all den Jahren in Erinnerung geblieben ist? Warum?
9. Gibt es einen Nichtspielercharakter, der dir in all den Jahren in Erinnerung geblieben ist? Warum?
10. Wird Pen&Paper auch in Zukunft noch den selben Stellenwert für dich persönlich haben?

Bonus:
I. Die Grenzen zwischen Rollen- und Brettspiel sind fließend, so kann man etwa mit GURPS die Schlachten gegen den Riesenpanzer Ogre nachspielen, mit Lords of Waterdeep in die Intrigen der Forgotten Realms eintauchen oder mit Doomtown um die Kontrolle der Stadt Gomorra in Deadlands kämpfen. Wo sähest Du gerne eine Umsetzung vom Rollen- zum Brettspiel (oder umgekehrt), und wie sähe diese aus?

II. Bleiben wir beim Brettspiel: Während (meiner Meinung nach) im Rollenspiel bei den Kernmechanismen in Form von Zielwurf, Unterwürfeln, Gummipunkten oder ähnlichem oftmals große Ähnlichkeiten zwischen den Systemen vorzufinden sind, gibt es bei Brett- und Kartenspielen eine ungeheure Vielzahl von Mechanismen und Variationen. Gibt es einen Mechanismus aus einem Brett- oder Kartenspiel, der in Deinen Augen die Möglichkeiten von Rollenspiel lohnenswert erweitern würde?

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