Freitag, 4. März 2016

A Quest for the Crown

Manche haben es vielleicht schon mitbekommen: Die deutsche RuneQuest Gesellschaft e.V. versucht sich als Verleger der aktuellen Version von RuneQuest. Da die Vereinsmittel natürlich nicht mit denen eines regulären Rollenspielverlags mithalten können, probieren sie die gedrucke Version von RuneQuest 6 mit Hilfe von Crowdfunding auf den deutschen Markt zu bringen. (An dieser Stelle spare ich mir eine Erklärung darüber, was Crowdfunding ist. Bei Fragen: Bitte in die Kommentare.)

Jedenfalls benutzen sie die deutsche Plattform "Start Next" (zum Projekt), was den Vorteil hat, dass man sich über verschiedene Zahlungswege beteiligen kann. Dazu gehört auch die Lastschrift. (Die amerikanische Plattform "Kickstarter", die seit kurzem auch in Deutschland operiert, finde ich da deutlich komplizierter.)


https://www.startnext.com/runequest

 

Übersetzung

Als PDF liegt das Spiel schon länger in deutscher Übersetzung vor. (Wer nur das will, muss es wohl hier erwerben.) Zur Übersetzung sei gesagt: Sie stammt von Lutz Reimers, der Anfang der 90er schon mal RuneQuest 3 ins Deutsche übertragen hat. Wie die neue Übersetzung gelungen ist? Phänomenal! Ernsthaft.

Für mich ist RQ6 die beste deutsche Übersetzung seit Warhammer Fantasy Rollenspiel 2.Edition. Und das mag etwas heißen! Wie die Übersetzung von WFRP2 liest sich RuneQuest 6 wie ein recht gut geschriebenes, originär deutschsprachiges Rollenspielprodukt. Das hat Seltenheitswert am deutschsprachigen Markt. Wer sich selbst überzeugen will, findet hier neben einer groben Beschreibung des Spiels auch einen Link zu Probeseiten. Die Leseprobe, die ganze 77 Seiten umfasst, sollte einen guten Einblick in die Übersetzung bieten.
 

Äußerlichkeiten

An dieser Stelle möchte ich kurz was zur Gestaltung sagen: Das ganze Buch verwendet ein sehr klares, gut lesbares Layout und ist ebensogut strukturiert. Besonders charmant ist die Coverillustration, die das Motiv von RuneQuest 2 aufgreift und in die heutige Zeit bringt. Chapeau! 
Im Inneren ist das Buch schwarz/weiß illustriert. Doch ehe jetzt das Geschrei losgeht, das sei doch heut- zutage nicht mehr passend, will ich dagegenhalten: Doch! Das ist sogar sehr passend. Die feinen Tuschezeichnungen haben Charakter und ganz viel Stil. Etwas, das den bunten, konfektionierten Bildern der "Photoshop-Künstler" abgeht. Diese Abkehr vom seelenlosen Mainstream-Fantasy-Artwork finde ich sehr erfrischend. Ein klarer Pluspunkt!   

Kleine Wirkungsgeschichte von RQ

RuneQuest ist die "Mutter" von Spielen wie Cthulhu, Sturmbringer, Elric!, ... (alle ursprünglich von Chaosium). Gerade die britische Rollenspielszene ist von dem Spiel sehr geprägt worden. Games Workshop hat damals die Fassung für UK herausgegeben, es gab Abenteuer im White Dwarf (ja, der war mal ein Rollenspielmagazin). Einflüsse von RuneQuest finden sich entsprechend in WFRP1 und daraus resultierend in WFRP2 und den 40K-Rollenspielen. 

In den 2000ern hatte Mongoose (ein englischer RPG-Verlag) die Rechte an Runequest. Bedeutend ist das deswegen, weil mit Mongoose RuneQuest (MRQ) das Spiel seit langer Zeit wieder erhältlich war. Außerdem machte der der Verlag die Spielregeln über die OGL (open gaming licence) samt dazugehörigem SRD (system document reference) als "open scource" verfügbar. Daraus sind in UK zuletzt einige Spiele entstanden: River of Heaven (Hardish Science Fiction), Clockwork & Chivalry (Quasihistorisches Spiel im English Civil War - mit Cromwell, Charles 1st, Alchemie und Uhrwerk-Kriegstechnik), Dark Streets (London zur Zeit der Frühindustrialisierung als Schmelztigel von Armut und Adel, Laster und Lumperei), OpenQuest (Einfacher Fantasyspiel-Bauskasten) und Pirates & Dragons (Was der Name sagt).

Die RQ-Lizenz selbst ging derweil an The Design Mechanism, den Verlag, den die Autoren der zweiten RQ-Edition von Mongoose gegründet hatten, nachdem Mongoose die Lizenz nicht länger halten wollte. Gegenüber MRQ gilt MRQII als deutliche Verbesserung und wenn man so will, ist RuneQuest 6 ein "director's cut" zu MRQII. 


Was zeichnet RuneQuest aus?

  • Es ist ein W100-, bzw. W%-System, das in seinen Grundzügen intuitiv verstehbar ist.
  • Jede Spielfigur kann grundsätzlich alles Lernen. Dadurch ergeben sich ganz unterschiedliche Charaktere.
  • Das Spiel verwendet dementsprechend keine Klassen.
  • Fertigkeiten spielen eine große Rolle. Dabei ist die Liste nicht ewig lang (wie bei Rolemaster).
  • Charaktere sind keine überlebendgroßen Helden. Sie sind "menschlich" und verletzlich. Wenn es zu Kämpfen kommt können Spielfiguren schnell das Zeitliche segnen. Der größte Unterschied zu Dungeons & Dragons besteht darin, dass Charaktere nicht Helden durch ihre überdurchschnittliche Physis, außergewöhnliche Talente oder Ähnliches, sondern dadurch, was sie tun.
  • Taktik findet nicht primär auf Regel- sondern auf Spielweltebene statt. Ebenfalls ein sehr markanter Unterschied zu D&D, Pathfinder oder auch DSA und Splittermond.
  • Charakterverbesserung läuft über Anwenden von Fertigkeiten. (Erfahrungspunkte sind mWn optional). Hier geht es eben nicht um "schneller, höher, weiter", sondern um die Simulation organischer Lernerfahrungen.
  • "Realismus" und "Spielbarkeit" sind zwei Ansprüche, die RuneQuest versucht zu erfüllen.
  • Die Regeln sind modular und flexibel. Man kann viele Regelteile weglassen, ohne, dass das Regelwerk "zusammenbricht".
  • Im Umkehrschluss heißt das: Das Regelgerüst ist robuster als das vieler Spiele neueren Ursprungs und offen für Hausregeln (so man sie will oder braucht).
  • Die Kompatibilität zu Cthulhu, Sturmbringer/Elric! und den ganzen andern Spielen, die von RuneQuest abstammen gibt Spielern und Spielleitenden ein großes Repertoire an Spielmaterialien an die Hand, dass sie ohne große Konvertierungsarbeit nutzen können.



Wenn ihr mit RuneQuest was anfangen könnt oder euer Interesse geweckt wurde:
Schaut einfach mal bei dem Projket der RQ-Gesellschaft vorbei. Vielleicht findet ihr das ja unterstützenswert. Das Projekt braucht noch Unterstützer. Ich jedenfalls bin bei der Schwarmfinanzierung dabei. 

Falls es noch mehr Infos, andere Einsichten, ... braucht: Hier entlang!






Nachtrag: Aktuelle Entwicklungen

Chaosium, wird zum Sommer die Lizenzrechte zurückholen. Ein RuneQuest 7 befindet sich in der Design-Phase und soll schon im Sommer erscheinen. Warum das Spiel RuneQuest 4 heißen wird und wann Chaosium vernünftige Spieltests durchführen will, weiß kein Mensch. Letzeres wäre vielleicht nicht ganz unwichtig: Das Spiel soll ja doch einiges anders machen als bisher. Zunächst wird und das Regelwerk mit der Spielwelt Glorantha zwangsverheiratet[1]. Dann soll es auf den Regeln des uralten RuneQuest 2 aufsetzen. Mit jeder Menge neuer Ideen und Ideen aus Pendragon und HeroQuest (RPG) und welchen aus RuneQuest 6 und RuneQuest 3. Dabei sollte RQ7 mal auf RQ6 basieren, was aber wieder zurückgenommen wurde, ... 
Neben diesen ganzen Verwirrungen ist Chaosium durch eine sehr seltsame, zum Teil agressive und nicht nachvollziehbare Kommunikationsweise gerade auf dem besten Weg die Community zu entzweien.

(RuneQuest 6 wird dessen ungeachtet unter dem Namen Mythras bei The Design Mechanism weitergeführt werden.)


[1] Eine schöne, detailierte, leicht abgedrehte FANTASY-Spielwelt mit - wie bei Runequest-Abömmlingen üblich - einem Fokus auf Kultur/Kulturen/Gesellschaftliches. Ich kann mit dem Hintergrund nicht viel anfangen. Insbesondere deswegen, weil Glorantha sehr einarbeitungsintensiv ist und ich mit Rokugan und The Diamond Throne schon zwei Settings habe, die aufwändig sind. 
Unter den RuneQuest-Fans gegen die Meinungen über Glornatha auseinander. Ca. 50% sind Feuer und Flamme für das Setting, die anderen nicht.
Und falls es mich Glorantha doch noch packen sollte: 13th Age scheint mir da fast das passendere Regelgerüst zu liefern. Naja.


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