Montag, 7. März 2016

Breaking the Law

Im Februar ist mir nichts Vernünftiges zu dem Thema Gesinnungen eingefallen. Vielleicht habe ich es auch nur nicht verbalisieren können. Eine Teilnahme am Karneval der RSP-Blogs war unter diesen Umständen jedenfalls nicht möglich.

Seit ich nun John Doe's Triade politischer Gesinnungen gelesen habe, hat es zumindest insofern "klick" gemacht, als dass ich jetzt an vielen Stellen "Gesinnungen" im Rollenspiel bemerke. Vorgestern habe ich erste Skizzen für einen Beitrag über die "Factions" in Renaissance bzw. Clockwork & Chivalry gemacht. 

Dazu ganz kurz ein Zitat: "Factions are religious and political affiliations which represent a character's core beliefs." (Renaissance Deluxe, S. 24).

Ich finde das eine ganz passende Beschreibung dafür, was Gesinnungen eigentlich sind.

Gestern bin ich,  nachdem ich das englische PDF von Beyond the Wall günstig erwerben konnte, auf dessen Deutung von "Gesinnungen" gestoßen. Während die Renaissance-Sache bestimmt noch etwas dauert, bis ich da was Vorzeigbares geschrieben habe, will ich jetzt das Konzept von BtW vorstellen:


Beyond the Wall benutzt die klassischen drei D&D-Gesinnungen. "Lawful", "chaotic" und "neutral". Was versteht das Spiel nun unter den einzelnen Begriffen?

Lawful
Gemeinwohl und eine sinnvolle Ordnung der Welt ist das, woran rechtschaffene Lebewesen glauben. Unordnung, Regellosigkeit und Chaos dagegen bedeuten eine Gefahr für Frieden, Sicherheit, Kultur und freien Denkens. Sie zerstören die Grundlage des gemeinsamen Daseins und öffnen den Weg für das (oft auch zufällige) Recht des Stärkeren.
Rechtschaffene Wesen glauben an die Sinnhaftigkeit von Regeln und hierarchischen Strukturen. Sie wollen ihren Platz in der Gemeinschaft kennen und möchten, dass auch die anderen den ihren kennen.

(Überzeugungen, die man ableiten kann: Respekt für die Älteren, Glaube an eine objektive Wahrheit, das Leben hat einen Sinn, Keiner existiert für sich allein, ...)

"In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben." 

(Goethe: Natur und Kunst)



Chaotic
Stabilität heißt Erstarren. Erstarren heißt Tod. Leben heißt ständige Veränderung. Chaotische Charaktere haben ein schier grenzenloses Vertrauen, in die Kraft des Einzelnen. Seinen Verstand, seine Urteilsfähigkeit, seine Handlungsfähigkeit. Sie sind überzeugt davon, dass jeder sein Schicksal jederzeit selbst in die Hand nehmen kann. Gemeinwohl entsteht, wenn es den Einzelnen gut geht. Gesetze und Vorschriften sind abzulehnen. Sie protektieren lediglich Interessen von bestimmten Gruppen oder Personen und verhindern das Wachstum aller.

(Überzeugungen, die man ableiten kann: Es gibt nur subjektive Wahrheiten, wir müssen selbst unserer Existenz Sinn stiften, jeder ist seines Glückes Schmied, ...)

"Do what thou wilt shall be the whole of the law" 
(Anton S. LaVey)



Neutral
Das betrifft die Vielen, die sich nicht für den Kampf kosmischer Kräfte oder für expilzite Lebensphilosophien interessieren. Deswegen sind sie weder rechtschaffen noch chaotisch. Sie glauben daran, dass das meiste im Leben relativ ist. Gesetzte sind vielleicht akzeptabel weil sie Richtlinien schaffen, an denen man sich orientieren kann. Was wichtig oder richtig ist, ist eine Fall zu Fall Entscheidung. Die Gewohnheit ist vielleicht der stärkste Handlungsrichtschnur.

Alternativ gibt es Lebewesen, denen die Balance zwischen Ordnung und Chaos wichtig ist. Sie suchen den Ausgleich. Jeder soll zu seinem Recht kommen. Aber nicht auf Kosten anderer. Entscheidungen dürfen nicht aufgrund einseitiger gesinnungs- oder verantwortungsethischer Überlegungen getroffen werden. Handeln oder Nicht-Handeln sollte in diesem Sinne ganzheitlich sein.

"Mich erstaunen Leute, die das Universum begreifen wollen, 
wo es schwierig genug ist, in Chinatown zurechtzukommen."
(Woody Allan)



Fazit:

Das Spiel macht das Fass auf, um die Konflikte zwischen Freiheit und Verantwortung. Zwischen Individuum und Gemeinschaft. Damit ist ein weites Feld bestellt, wo jeder seinen SC verorten können sollte.


Weiterführendes:

Das Schlaue an der Aufteilung ist, dass das Konzept so unglaublich viele Anknüpfungspunkte hat. Einen - aus der politischen Philosophie - will ich kurz anreißen:

Es gibt genug grundlegende Überseinstimmungen, die es erlauben "lawful" als Ausdruck von  Kommunitarismus, sowie "chaotic" als Ausdruck von Liberalismus zu verstehen. Interessanterweise sehen beide, Liberale und Kommunitarier, den Ursprung ihrer Philosphie bei Aristoteles. Das zeigt, dass ganz unterschiedliche Ansichten in der Praxis ganz ähnlich ausschauen können. Selbst wenn die Haltungen sich gegensätzlich zueinander verhalten. Hier seien noch Kurzdefinitionen in den Raum geworfen:

"Unter Kommunitarismus (lat. communitas ‚Gemeinschaft‘) versteht man eine politische Philosophie, die die Verantwortung des Individuums gegenüber seiner Umgebung und die soziale Rolle der Familie betont". (Wikipedia)

"Der Liberalismus (lateinisch liber, „frei“; liberalis, „die Freiheit betreffend, freiheitlich“) ist eine Grundposition der politischen Philosophie und eine historische und aktuelle Bewegung, die eine freiheitliche politische, ökonomische und soziale Ordnung anstrebt". (Wikipedia


Was bringt diese Art von Gesinnungssystem?

Fürs Rollenspiel an sich eine Menge. Gruppeninterne Konflikte und Konflikte zwischen Gruppen lassen sich so gut darstellen und begründen. Das Ringen um Problemlösungen bekommt gewissermaßen eine besondere Art von Aufmerksamkeit.
BtW bringt "menschliche" Grundüberzeugungen in Spiel, die beim Ausagieren einen gewissen Spielraum lassen. Unterschiedliches Denken und unterschiedlichen Weltbilder können sogar zu ganz ähnlichen Ideen oder Handlungsvorschlägen führen. Die Gefahr der Stereotypisierung ist bei diesem Ansatz äußerst gering.
Vorteilhaft ist auch, dass das Spiel - anders als ich das hier ausgebreitet habe - die Gesinnungen ganz simpel und ohne philosophische Höhenflüge verständlich macht. (Mir war an der Stelle wichtig zu zeigen, wie weitreichend man BtWs Gesinnungen verstehen kann.)

Wie ist das in BtW eingebunden?

Keine Ahnung. Ich bin mit dem Lesen noch nicht soweit, dass ich das beurteilen könnte.



Wer sich weiters für das Thema Gesinnungen interessiert:
Hier gehts zur Zusammenfassung des Februar-Karnevals.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen