Dienstag, 22. März 2016

Doom Sticks

  

Blut_und_Glas von d6ideas hat das Blogstöckchen mitten in die Zauberferne geworfen. Die 10 plus 2 Fragen will ich gern beantworten:


1. Welches Rollenspielprodukt hat dich persönlich am meisten geprägt?
Wahrscheinlich das Warhammer Fantasy-Rollenspiel (Feder & Schwert). Es war - glaube ich - mein erstes kommerzielles Rollenspielprodukt. Auf jeden Fall das erste, das ich als SL verwendet habe.

Was mich dabei geprägt hat: 

A) Die Übersetzung:
Nicht nur, dass sich der Text absolut flüssig liest, es wurden sogar Wortspiele geschickt übertragen und Bild-Texte (GRW S.236) übersetzt. Die Errata wurden fleißig von dem Fans im Forum "Die Alte Welt" gesammelt und neben den englischen Errata bei den Nachdrucken berücksichtigt. Das Layout wurde etwas verändert: Grausige gelbe Kapitelüberschriften mit roter Umrandung wurde ersetzt durch schwarze mit roten Anfangsbuchstaben. Das Auge dankt! Kapitel wurden - anders als im Original mit ganzseitigen Illustrationen eingeleitet.

Für mich immer noch der Maßstab, an dem sich alle anderen Übersetzungen von Rollenspielen messen lassen müssen. 

B) Regeln, Setting & Co:
Die zufallsbasierte Charaktergenerierung, die insgesamt recht ausgewogen daherkommt und life-path-artige Ergebnisse liefert. Sie zwingt dazu assoziativ eine interessante Figur zu entwickeln und unterbindet schon dadurch "mary-sue-artige" Phantasien, die bei "Point-Buy" gerne ihren Lauf nehmen.

Das Karriere-System, das temporäre Klassen bietet, die - abhängig von Spielereignissen - angenommen werden können oder nicht. In Verbindung mit dem Wahnsinns- und Mutations-System kommt daher wahrscheinlich auch meine Vorliebe für sich v.a. verändernde Charaktere, die sich wertetechnisch nicht unbedingt verbessern müssen.

Das Setting (i.V.m. der Vorgängerversion), das Fantasy, Elemente aus unserer Geschichte, schwarzen Humor und seltsame phantastische Einfälle kombiniert, lässt noch immer viel Freiraum für eigene Ideen und bietet viele spielerische Möglichkeiten.  
 
... nicht zu vergessen sind auch die Spiele mit denen ich eigentlich zu spielen angefangen habe: Das Freiform-Spiel Daidalos, das Indie-Spiel Spotlight 24h und RISUS.

2. Was ist die beste Regel, die dir je in einem Rollenspielsystem untergekommen ist, welches die schlechteste?
Puh, die "Beste" ist wirklich schwer.
Ich stelle der oder dem Lesenden einfach mal zwei Antworten zur Auswahl vor:

Special Effects (Prince Valiant Storytelling Game) oder Paths [Antwort zu Nr.24] (The Shadow of Yesterday / Solar System). Gemeinsam ist den beiden Regelmechanismen, dass sie Spielern über den Spielprozess Mitbestimmung geben - in Bezug auf das, was im Spiel wichtig ist.

Die schlechtste Regel ist einfach: 
Variationen der goldenen Regel, die auf Folgendes hinauslaufen:
"Der SL hat immer Recht." Und: "Der SL darf die Regeln jederzeit weglassen, verändern, ergänzen, wie er gerade lustig ist." Wobei es auch gute Versionen [ganz unten] davon gibt.

Alternativ: 
Die absolute Hoheit der Spieler über ihre Charaktere und die der Spielleitung über die Spielwelt. Für mich verhindert das interessante spielerische Herausforderungen. Außerdem zementiert es "Der SL ist für alles außer die Helden verantwortlich. Spielvorbereitung ist SL-Sache."

3. Wenn du heute nochmal eine Spielrunde starten könntest, die inhaltlich und vom Stil her genau so läuft wie deine allererste, würde das funktionieren? Warum? 
Nein. Die allererste Runde bestand aus zwei oder drei Abenden AD&D 2nd. Die Gruppe war am zerbröseln. Die Regeln waren - zumindest mir - damals nicht wirklich bekannt. Es gab zum Thema "in-character sprechen" fundamental unterschiedliche Auffassungen in der Gruppe. Als erste Versuche Rollenspiel zu spielen war das für mich OK. An und für sich würde ich aber nicht absichtlich eine nicht lebensfähige Gruppe ins Dasein rufen wollen.

4 . Was vermisst du heute am Rollenspiel, was vor 20 Jahren (bzw. in den ersten Jahren, als du angefangen hast) noch anders und viel besser war?
Das sind zwei Fragen. Aber gut. 

Vor zwanzig Jahren
Es gab Rollenspiele im Spielwaren-Laden. Wenn auch nur DSA. Aber immerhin.

Ca. 2001
Das FERA (Forum enagagierter Rollenspiel-Autoren) und die zugehörigen Wettbewerbe, die vermisse ich. Insbesondere betrifft das die in 24 Stunden geschriebenen Rollenspiele. Wir hatten damals ein paar davon gespielt. Das oben erwähnte Spotlight 24h gehört dazu. Mittlerweile sind die Spiele nicht mal mehr online als PDF zu finden. Schade.

5. Welche Settings sind im deutschsprachigen Raum deiner Meinung nach völlig unterrepräsentiert? 
Science Fiction und historische Fantasy.

6. Welches ist dein Lieblingswürfel und warum?
Der W4. Weil ich den als Münzersatz für das Prince Valiant Storytelling Game nutze. Wie Münzen fällt er eher, als dass er wie ein "gewöhnlicher" Würfel rollt. Außerdem war das jahrelang mein Karma-Würfel bei Earthdawn, wo ich - die meiste Zeit - einen Troll-Troubadour gespielt habe.

7. Wenn es Pen&Paper Rollenspiele nicht geben würde, was hättest du mit der Zeit, die du in das Hobby investiert hast, gemacht?
Ich hätte wohl mehr Tabletop, Wargames und Erzählspiele gespielt und hätte dafür Kram gebastelt und geschrieben. Also im Prinzip würde ich mich trotzdem irgendwie mit Rollenspiel beschäftigen.
(Siehe dazu das Stöckchen bei Blut_und_Glas, Fragen #7 und #1.)

8. Gibt es einen Spielercharakter, der dir in all den Jahren in Erinnerung geblieben ist? Warum?
Einen? Viele! Neben denen, die ich gespielt habe auch die der Mitspieler:

Eigene:
Earthdawn 1: Taakrudnir Nagskjegg vom Clan der Blutweisen (Troll, Troubadour), Valdaron (Elf, Schwertmeister)
WFRP 2: Varro Morriando (Estalischer Diestro, Mensch)
Schattenjäger: Hal (Psioniker [Telepathie/Prophetie], Urzeitweltler)
Star Wars (Savage Worlds/FFG SW): Dhar Roonen (Baran-Do-Vollstrecker, Khel Dor)

Von Mitspielern:
ED1: Lavinia (Elfe, Scout), Tolan (Magier, Elf), Halfdan (Elemetarist, Zwerg), Krul (Troll, Krieger), Joriel (Scout, Windling), Thorr (Obsidianer, Krieger)
Star Wars SaWo: Shu'ek Mar (Techniker, Mon Calamar), Rak-Sha (Jedi, Zabrak), Resha Yad Sulla (Schmugglerin, Mensch)
Schattenjäger: Trabi89 (Techpriesterin),

Von Spielern:
WFRP2: Finn (Fanatiker), Sir Taran (Adeliger), Pamina (Schurkin), // Hubert Humpelfuß (Schmuggler, Halbling), Rodrik Zausel (Bader), Elfrida (Seherin), Peter pral de Morack (Kopfgeldjäger), Alfrida Krean (Laienpriesterin - Rhya) // Colco Bur (Dieb), Memiselvandi (Kurier, Halbling), Alvin Sisusang (Zauberlehrling - Amethyst Orden)
LotFP: Fujika Toh (Schurkin), Haudruff (Krieger),
Prince Valiant: Sir Lamorak (Ritter)

Die Gründe sind ganz unterschiedlich:
Savage Star Wars: Die Gruppe hat unglaublich gut harmoniert. Die Charaktere haben über die Zeit einen eigenen Charakter bekommen. Kurz: Wir haben gerockt wie das A-Team!

Earthdawn: Spieler-Ticks! - sowohl in Bezug auf das Charakterspiel als auch bezogen auf das Verhalten der Spielenden. Explodierende Würfel, die mal für besondere Taten und mal für besondere "Prügel" gesorgt haben.

9. Gibt es einen Nichtspielercharakter, der dir in all den Jahren in Erinnerung geblieben ist? Warum?
L5R 3: Windfeder (Ronin, Ex-Löwen-Clan)
ED1: Hithorn (Windling, Dieb - Informationshändler & Betreiber des Blauen Fasses in Märkteburg)
WFRP2: Vater Andagiz (Mórr-Priester)
...

Cause they ars ... memorable characters. 

10. Wird Pen&Paper auch in Zukunft noch den selben Stellenwert für dich persönlich haben?
Ich erwarte Verschiebungen. Die Zahl der Spiele wird sich konsolidieren. 
Der Stellenwert insgesamt wird eher sinken. Dafür erwarte ich aber insgesamt mehr Spielrunden.

Kurz: Ich erwarte eine Verschiebung von der Theorie zur Praxis.




Bonus:
I. Die Grenzen zwischen Rollen- und Brettspiel sind fließend, so kann man etwa mit GURPS die Schlachten gegen den Riesenpanzer Ogre nachspielen, mit Lords of Waterdeep in die Intrigen der Forgotten Realms eintauchen oder mit Doomtown um die Kontrolle der Stadt Gomorra in Deadlands kämpfen. Wo sähest Du gerne eine Umsetzung vom Rollen- zum Brettspiel (oder umgekehrt), und wie sähe diese aus?  
Clockwork & Chivarly 2nd als Tabletop fände ich schon reizvoll. Andererseits wären die Regeln, die es dafür bräuchte, für Shotte & Pike auch schnell gebastelt. Dass das noch nicht Realität geworden ist, liegt wohl auch daran, dass a) mein Interesse nicht groß genug ist, b) mir Tabletop-Spieler fehlen und c) ich ohnehin Clockwork & Chivalry 2nd noch nicht spielen konnte.

Uups ... Die Frage war ja "Brettspiel". Naja. Für's Tabeltop braucht man auch mindestens ein Brett. 

... Dungeon Crawl Classics RPG könnte ich mir gut als Dungeon Crawl Brettspiel vorstellen. Gerade die zufällige Mächtigkeit von Zaubern, die Fragilität von Stufe-0-Charakteren würden für ein abwechslungsreiches Spielerlebnis sorgen.

II. Bleiben wir beim Brettspiel: Während (meiner Meinung nach) im Rollenspiel bei den Kernmechanismen in Form von Zielwurf, Unterwürfeln, Gummipunkten oder ähnlichem oftmals große Ähnlichkeiten zwischen den Systemen vorzufinden sind, gibt es bei Brett- und Kartenspielen eine ungeheure Vielzahl von Mechanismen und Variationen. Gibt es einen Mechanismus aus einem Brett- oder Kartenspiel, der in Deinen Augen die Möglichkeiten von Rollenspiel lohnenswert erweitern würde?
Als Indie-, Freiform-, OSR-, Erzählspiel- und W100-Spieler, der mit den großen Systemen wenig anfangen kann, würde ich der Theorie der sehr ähnlichen "Kernmechanismen" widersprechen. Wenn auch nicht in grundsätzlicher Weise.

Ich sehe jetzt schon viele Analogien zu Brett- und Kartenspielen. Die Powers in D&D 4 funktionieren für mich ein bißchen wie das "Magic-Prinzip". "Sammelkarten" gibt es bei Gamma World 4E. Die vielbenutzten Siegpunkte im Brettspiel entsprechen für mich in etwa den Erfahrungspunkten im RSP. QED. Man muss nur ein bißchen die Augen offen halten. Vieles kann man auch einfach so ins Rollenspiel einbringen. 

Gerade die OSR-Philosophie, eher Spieler-Fähigkeiten statt Charakter-Fähigkeiten anzusprechen, ist ein Ansatzpunkt, an dem man weiterbasteln kann. Ubongo als Türpuzzle im Dungeon, der einstürzt und das deswegen in kurzer Zeit gelöst werden muss - würde mir spontan einfallen.

Mehr als die Mechanismen würde ich gern die Präsentation von Brettspielen abgucken. Eine Box mit nützlichen Zeug drin (so wie das die viel zu sehr auf "deluxe" gebürsteten Indie-Spiele der Narrativa-Reihe von Ulisses gehtan haben) wäre schon toll. Stattdessen stehen Rollenspiele zunehmend in der Gefahr Artbooks mit wenig spielbaren Regeln zu werden.



 
Das Stöckchen fliegt!
Die Fragen gehen mit Bonus-Fragen weiter an: Dirk von Mondbuchstaben, Oger in seiner Ogerhöhle und Norbert von Analogkonsole. Happy Suffering!

1. Welches Rollenspielprodukt hat dich persönlich am meisten geprägt?
2. Was ist die beste Regel, die dir je in einem Rollenspielsystem untergekommen ist, welches die schlechteste?
3. Wenn du heute nochmal eine Spielrunde starten könntest, die inhaltlich und vom Stil her genau so läuft wie deine  allererste, würde das funktionieren? Warum?
4. Was vermisst du heute am Rollenspiel, was vor 20 Jahren (bzw. in den ersten Jahren, als du angefangen hast) noch anders und viel besser war?
5. Welche Settings sind im deutschsprachigen Raum deiner Meinung nach völlig unterrepräsentiert?
6. Welches ist dein Lieblingswürfel und warum?
7. Wenn es Pen&Paper Rollenspiele nicht geben würde, was hättest du mit der Zeit, die du in das Hobby investiert hast, gemacht?
8. Gibt es einen Spielercharakter, der dir in all den Jahren in Erinnerung geblieben ist? Warum?
9. Gibt es einen Nichtspielercharakter, der dir in all den Jahren in Erinnerung geblieben ist? Warum?
10. Wird Pen&Paper auch in Zukunft noch den selben Stellenwert für dich persönlich haben?

Bonus:
I. Die Grenzen zwischen Rollen- und Brettspiel sind fließend, so kann man etwa mit GURPS die Schlachten gegen den Riesenpanzer Ogre nachspielen, mit Lords of Waterdeep in die Intrigen der Forgotten Realms eintauchen oder mit Doomtown um die Kontrolle der Stadt Gomorra in Deadlands kämpfen. Wo sähest Du gerne eine Umsetzung vom Rollen- zum Brettspiel (oder umgekehrt), und wie sähe diese aus?

II. Bleiben wir beim Brettspiel: Während (meiner Meinung nach) im Rollenspiel bei den Kernmechanismen in Form von Zielwurf, Unterwürfeln, Gummipunkten oder ähnlichem oftmals große Ähnlichkeiten zwischen den Systemen vorzufinden sind, gibt es bei Brett- und Kartenspielen eine ungeheure Vielzahl von Mechanismen und Variationen. Gibt es einen Mechanismus aus einem Brett- oder Kartenspiel, der in Deinen Augen die Möglichkeiten von Rollenspiel lohnenswert erweitern würde?

Freitag, 11. März 2016

Suns First Rays


Zum diesmonatigen Karneval will ich darüber schreiben, welches Spiel ich warum nehme, wenn sich plötzlich ein Rollenspielabend ergibt, den ich leiten soll  Es gibt drei Spiele, die hierfür in Frage kommen.

1) Wenn ich noch genug Zeit habe und/ oder es darum geht Neulinge (langsam) ins Rollenspiel einzuführen, dann nehme ich das Warhammer Fantasy Rollenspiel (2E). Damit kenne ich mich am besten aus. Dafür habe ich die besten Spiel-Hilfsmittel. Und ein Zweitregelbuch, das ich an die Gruppe weitergeben kann, wenn es bei der Charaktergenerierung und während des Spiels gebraucht wird. Hier hilft auch, dass WFRP2 eine hervorragende deutsche Übersetzung erhalten hat. Das macht am Spieltisch einiges einfacher.
Ein passendes Abenteuer zu schreiben oder zu finden ist da aber immer wieder ein Problem. Wie lang soll es sein? Was soll das Thema sein? 

Die Crux an WFRP ist mMn einfach, dass das Setting so einiges zu bieten hat. Einerseits ist es sehr zugänglich, andererseits hat es doch etliche Eigenheiten, die es von "gewöhnlichen" Fantasyhintergründen mit Elfen, Zwergen, Orks absetzt. Genau betrachtet sind viele der Äußerlichkeiten von Warhammer (grüne Orks mit fetten Hauern, Wikinger/Techniker bei den Zwergen, ...) v.a. über WarCraft (von dem immer wieder vermutet wird, es sei ein WH-Spiel mit verlorengeganener Lizenz gewesen) in den Fantasy-Mainstream übernommen worden. Dabei ist das, was Orks, Zwerge, Elfen, ... in Warhammer ausmacht, verloren gegangen.

Auf die Eigenheiten und historischen Referenzen, das besondere Flair der Alten Welt, seinen schwarzen Humor, ... kommt es aber an. Zumindest, wenn man - wie ich - den Anspruch hat, WFRP nicht zu generischer Fantasy verkommen zu lassen. Da muss dann abgewägt werden: Wie viele WFRP-Spezifika sind zu vermitteln? Wie sehr kann man mit EDO-Annahmen starten ohne das Potential des Settings zu verschenken oder zu verderben? Härte? Schwarzer Humor?
Schließlich geht es um die Alte Welt und nicht um Golarion, Kreijor, die Vergessenen Reiche oder Aventurien.

Am Ende braucht es eine gute Planung, um einen leichten Einstieg in WFRP2 zu ermöglichen. Das geht nicht ohne ein bis zwei Tage Vorlauf.


2) Wenn ich ein bißchen Zeit habe und weiß, dass EDO gewünscht ist, dann nehme ich gern Lamentations of the Flame Princess. Da ich das noch nicht sooo oft gespielt habe - und zwischendrin immer wieder andere OSR-Spiele (wie Crypts & Things) - muss ich da nochmal kurz die Regeln überfliegen. Fertigabenteuer oder eine eigene Abenteuerskizze habe ich dann in ca. 2 Stunden leitbereit. Zu Beginn einer Runde ist es ein Leichtes von klassischen Fantasy-Tropen auszugehen und dann deren Verdrehungen deutlich zu machen. Dafür reichen die Klassenbeschreibungen.


3) Wenn ich übernächtigt und/oder keine Zeit zum Vorbereiten habe - also eine Stunde bis der ganze Kram gepackt sein muss, der Spielraum und das Abenteuer vorbereitet - dann nehme ich das Prince Valiant Storytelling Game. Was anderes geht nicht. Entweder das oder nix. Das "Warum" will ich im Folgenden erklären:

Zunächst wäre da das Setting. Die Artus-Sage ist gemeinhin bekannt und auch Hal Fosters Interpretation davon kennen die meisten Leute wenigstens am Rande. Hier hilft ungemein, dass Fosters Interpretation sowohl einen realistischen (Zeichnungen, glaubhafte Welt- und Sozialbezüge, quasi keine Magie), einen romantischen (die verkärte Sicht des Hochmittelalters, höfische Ideale, wunderbare und "zauberische" Ereignisse) als auch einen modernen Zugang (z.T. moderne Verhaltensweisen der Charaktere, logisches nicht-mythisches Denken, Pulp-Action) eröffnet. Über die Drei in Kombination fällt das Einfühlen in die Welt leicht, die andererseits immer auch Kulisse für die Handlungen der Protagonisten bleibt. Außerdem vermittelt das Setting bei den Spielenden das Gefühl, einen Überblick über die Spielwelt zu haben und handlungsfähig zu sein.


Das System wiederum ist recht einfach gestrickt. Außerdem lässt es sich duch eine Aufteilung in Basic und Advanced Game gerade für Anfänger gut skalieren. (Wobei das Spiel trotzdem immer "rules light" bleibt.) Regelseitig besteht ein Charakter aus 2 Attributen (Brawn und Presence) plus einer handvoll Fertigkeiten. Aus den Zahlenwerten dieser Merkmale wird für Proben ein W2-Pool gebildet, bei dem jeder Würfel einen Erfolg oder Nichterfolg anzeigt. Ausrüstung oder besondere Situationen können zusätzliche Würfel bringen (oder auch abziehen).

Bei Konflikten (Kampf, Rededuell, Armdrücken) werden dann keine Lebenspunkte oder ähnliches abgezogen, sondern Würfel aus dem Pool genommen. Zuerst die von Modifikatoren, dann die der Fertigkeiten und schließlich diejenigen, weche die Atrribute generieren. Bei einem Würfelpool von Null ist eine Figur außer Gefecht. Was das genau bedeutet, wird über logische Deduktion und Freiformspiel bestimmt. So elegant die Regeln an der Stelle auch sind, so abstrakt sind die andererseits. (Es wirkt schon ein bißchen komisch, wenn bei einem diplomatischen Schlagabtausch, das Sigel von Artus plötzlich nix mehr zählt oder wenn im Kampf die Waffe keinen Einfluss mehr hat.)

Im Advanced Game kommen dann so Sachen ins Spiel wie "Szenen-Leitung" für Spieler. Spezialeffekte (wie "der Schurke entkommt"), welche die Spielleitung zu dem Preis kaufen kann, dass die Spieler ebenfalls einen Spezialeffekt zugestanden bekommen. Nachteile, die beim Ausspielen XP generieren und zusätzliche Fertigkeiten. Insgesamt sorgen die erweiterten Regeln für eine Verteilung der Verantwortung fürs gemeinsame Spiel - weg von der SL hin zu den Spielern.


Die Abenteuerskizzen/ -episoden sind außerdem klug gemachte One- oder Two-Pages. Es wird eine
Abenteuerart ("assistance", "rescue", "attack") beschrieben, ein kurzer Einstieg präsentiert, auf Vernüpfungsmöglichkeiten mit anderen Episoden hingewiesen, eine knappe Hintergrundbeschreibung geliefert, Ziele und generelle geplante Handlungen aufgelistet, die SC-Persönlichkeiten in zwei Sätzen beschrieben und sinnvolle Spezialeffekte angeboten. Im zweiten Teil wird ein möglicher szenischer Ablauf beschrieben, der sehr viele Freiheiten lässt und lediglich den angedachten roten Faden darstellt. Den Abschluss bilden NSC-Werte.

Eine Episode kann für einen ganzen Spielabend reichen. Sie hat genug Fleisch, um sofort losspielen zu können. Man kann die Idee aber auch mit Kontexten versehen, sie zu einem Kampagnenauftakt ausbauen, etc.
Wenn es für eine Con oder einen spontanen Spielabend ganz schnell gehen muss, dann lese ich mir eine der Episoden durch ( - bestenfalls habe ich eine Kopie davon dabei) mache mir ein paar Notizen und nach ca. einer halben Stunde kann es losgehen. Die ausgedrucke Episode ist - neben Würfeln und einer halbseitigen Regelübersicht - alles, was ich zum leiten brauche.


Die besonderen Errungenschaften des Spiel sind mMn, dass es sich zwar an Einsteiger richtet, für alte Hasen aber genug interessante Mittel und Methoden bereit hält, die es lohnenswert machen, das Spiel zu spielen. Außerdem ist der Wechsel vom Spieler zur SL ganz schnell vollzogen. PV können wirklich auch Neulinge leiten. (Jedenfalls war das die Rückmeldung die ich von zwei Spielerinnen bekommen habe: "Ach, das könnte ich mir gut vorstellen mal zu leiten.") Dafür braucht es dann nur noch ein Exemplar des Regelbuchs, das heute leider kaum mehr zu bekommen ist. (Chaosium überlegt, ob Sie das System neu rausbringen. Ich bin gespannt.)


Der historische Wert von PV (VÖ: 1989) liegt darin begründet, dass es auf vielfältige Weise Vampire: the Masquerade und die Storytelling-Bewegung inspiriert hat. Angefangen vom Poolsystem, das Erfolge zählt bis hin zum Fokus auf das gemeinsame Geschichtenerzählen. (Tatsächlich empfinde ich die oWoD in Bezug auf den Erzählfokus als Rückschritt gegenüber PV. Aber der Erfolg gibt wohl den weißen Wölfen recht.) Andere Spielmechanismen - zu denen die Traits ("arrogant", "loyal") zählen - wurden bei Savage Worlds (Hindrances) noch als innovativ gefeiert, sind aber ebenfalls viel älter.
Kurz: Das Spiel auch heute noch anderen Rollenspielen - gerade den großen Mainstream-System - innovative Ideen voraus. Wobei man auch sagen muss, dass manche Erklärung (zum Beispiel zur Rolle der Spielleitung) Staub angesetzt hat. Mit dem Charakterbogen, war ich auch nicht zufrieden. Deswegen habe ich einen Neuen [1] gebastelt.


_________________________________________________________
[1] Alle Rechte verbleiben bei Chaosium und King Features Syndicate.

Montag, 7. März 2016

Breaking the Law

Im Februar ist mir nichts Vernünftiges zu dem Thema Gesinnungen eingefallen. Vielleicht habe ich es auch nur nicht verbalisieren können. Eine Teilnahme am Karneval der RSP-Blogs war unter diesen Umständen jedenfalls nicht möglich.

Seit ich nun John Doe's Triade politischer Gesinnungen gelesen habe, hat es zumindest insofern "klick" gemacht, als dass ich jetzt an vielen Stellen "Gesinnungen" im Rollenspiel bemerke. Vorgestern habe ich erste Skizzen für einen Beitrag über die "Factions" in Renaissance bzw. Clockwork & Chivalry gemacht. 

Dazu ganz kurz ein Zitat: "Factions are religious and political affiliations which represent a character's core beliefs." (Renaissance Deluxe, S. 24).

Ich finde das eine ganz passende Beschreibung dafür, was Gesinnungen eigentlich sind.

Gestern bin ich,  nachdem ich das englische PDF von Beyond the Wall günstig erwerben konnte, auf dessen Deutung von "Gesinnungen" gestoßen. Während die Renaissance-Sache bestimmt noch etwas dauert, bis ich da was Vorzeigbares geschrieben habe, will ich jetzt das Konzept von BtW vorstellen:


Beyond the Wall benutzt die klassischen drei D&D-Gesinnungen. "Lawful", "chaotic" und "neutral". Was versteht das Spiel nun unter den einzelnen Begriffen?

Lawful
Gemeinwohl und eine sinnvolle Ordnung der Welt ist das, woran rechtschaffene Lebewesen glauben. Unordnung, Regellosigkeit und Chaos dagegen bedeuten eine Gefahr für Frieden, Sicherheit, Kultur und freien Denkens. Sie zerstören die Grundlage des gemeinsamen Daseins und öffnen den Weg für das (oft auch zufällige) Recht des Stärkeren.
Rechtschaffene Wesen glauben an die Sinnhaftigkeit von Regeln und hierarchischen Strukturen. Sie wollen ihren Platz in der Gemeinschaft kennen und möchten, dass auch die anderen den ihren kennen.

(Überzeugungen, die man ableiten kann: Respekt für die Älteren, Glaube an eine objektive Wahrheit, das Leben hat einen Sinn, Keiner existiert für sich allein, ...)

"In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben." 

(Goethe: Natur und Kunst)



Chaotic
Stabilität heißt Erstarren. Erstarren heißt Tod. Leben heißt ständige Veränderung. Chaotische Charaktere haben ein schier grenzenloses Vertrauen, in die Kraft des Einzelnen. Seinen Verstand, seine Urteilsfähigkeit, seine Handlungsfähigkeit. Sie sind überzeugt davon, dass jeder sein Schicksal jederzeit selbst in die Hand nehmen kann. Gemeinwohl entsteht, wenn es den Einzelnen gut geht. Gesetze und Vorschriften sind abzulehnen. Sie protektieren lediglich Interessen von bestimmten Gruppen oder Personen und verhindern das Wachstum aller.

(Überzeugungen, die man ableiten kann: Es gibt nur subjektive Wahrheiten, wir müssen selbst unserer Existenz Sinn stiften, jeder ist seines Glückes Schmied, ...)

"Do what thou wilt shall be the whole of the law" 
(Anton S. LaVey)



Neutral
Das betrifft die Vielen, die sich nicht für den Kampf kosmischer Kräfte oder für expilzite Lebensphilosophien interessieren. Deswegen sind sie weder rechtschaffen noch chaotisch. Sie glauben daran, dass das meiste im Leben relativ ist. Gesetzte sind vielleicht akzeptabel weil sie Richtlinien schaffen, an denen man sich orientieren kann. Was wichtig oder richtig ist, ist eine Fall zu Fall Entscheidung. Die Gewohnheit ist vielleicht der stärkste Handlungsrichtschnur.

Alternativ gibt es Lebewesen, denen die Balance zwischen Ordnung und Chaos wichtig ist. Sie suchen den Ausgleich. Jeder soll zu seinem Recht kommen. Aber nicht auf Kosten anderer. Entscheidungen dürfen nicht aufgrund einseitiger gesinnungs- oder verantwortungsethischer Überlegungen getroffen werden. Handeln oder Nicht-Handeln sollte in diesem Sinne ganzheitlich sein.

"Mich erstaunen Leute, die das Universum begreifen wollen, 
wo es schwierig genug ist, in Chinatown zurechtzukommen."
(Woody Allan)



Fazit:

Das Spiel macht das Fass auf, um die Konflikte zwischen Freiheit und Verantwortung. Zwischen Individuum und Gemeinschaft. Damit ist ein weites Feld bestellt, wo jeder seinen SC verorten können sollte.


Weiterführendes:

Das Schlaue an der Aufteilung ist, dass das Konzept so unglaublich viele Anknüpfungspunkte hat. Einen - aus der politischen Philosophie - will ich kurz anreißen:

Es gibt genug grundlegende Überseinstimmungen, die es erlauben "lawful" als Ausdruck von  Kommunitarismus, sowie "chaotic" als Ausdruck von Liberalismus zu verstehen. Interessanterweise sehen beide, Liberale und Kommunitarier, den Ursprung ihrer Philosphie bei Aristoteles. Das zeigt, dass ganz unterschiedliche Ansichten in der Praxis ganz ähnlich ausschauen können. Selbst wenn die Haltungen sich gegensätzlich zueinander verhalten. Hier seien noch Kurzdefinitionen in den Raum geworfen:

"Unter Kommunitarismus (lat. communitas ‚Gemeinschaft‘) versteht man eine politische Philosophie, die die Verantwortung des Individuums gegenüber seiner Umgebung und die soziale Rolle der Familie betont". (Wikipedia)

"Der Liberalismus (lateinisch liber, „frei“; liberalis, „die Freiheit betreffend, freiheitlich“) ist eine Grundposition der politischen Philosophie und eine historische und aktuelle Bewegung, die eine freiheitliche politische, ökonomische und soziale Ordnung anstrebt". (Wikipedia


Was bringt diese Art von Gesinnungssystem?

Fürs Rollenspiel an sich eine Menge. Gruppeninterne Konflikte und Konflikte zwischen Gruppen lassen sich so gut darstellen und begründen. Das Ringen um Problemlösungen bekommt gewissermaßen eine besondere Art von Aufmerksamkeit.
BtW bringt "menschliche" Grundüberzeugungen in Spiel, die beim Ausagieren einen gewissen Spielraum lassen. Unterschiedliches Denken und unterschiedlichen Weltbilder können sogar zu ganz ähnlichen Ideen oder Handlungsvorschlägen führen. Die Gefahr der Stereotypisierung ist bei diesem Ansatz äußerst gering.
Vorteilhaft ist auch, dass das Spiel - anders als ich das hier ausgebreitet habe - die Gesinnungen ganz simpel und ohne philosophische Höhenflüge verständlich macht. (Mir war an der Stelle wichtig zu zeigen, wie weitreichend man BtWs Gesinnungen verstehen kann.)

Wie ist das in BtW eingebunden?

Keine Ahnung. Ich bin mit dem Lesen noch nicht soweit, dass ich das beurteilen könnte.



Wer sich weiters für das Thema Gesinnungen interessiert:
Hier gehts zur Zusammenfassung des Februar-Karnevals.

Samstag, 5. März 2016

Winnebago Warrior


Nachdem ich das schon länger versprochen hatte, löse ich nun das Versprechen ein: Hier gibt's die "neueste" Version meines WFRP2-Charakterbogens.


Der Bogen ist so gestaltet, dass er nur ein Blatt Papier braucht. Die erste Seite deckt dabei Rollenspielerisches, Fertigkeiteneinsatz und Talente ab. Dagegen finden sich auf der zweiten Seite "Besitztümer" und alles Kampfrelevante. Für Zaubersprüche ich kein Platz vorgesehen, da die Spieler dafür Karten, bzw. das Zauberbüchlein nutzen.

Erfolgte Steigerungen im Profil werden durch ausgemalte Punkte dar- gestellt. Das dürfte das Einzige sein, was nicht selbsterklärend ist.


Ein paar Hausregeln spiegeln sich noch im Bogen, wieder: Das ist einerseits die vollzogene Trennung von Glücks- und Schicksals- Punkten. Und das sind die Kampfoptionen "Gegenzauberbereitschaft" und "Pikenstellung". Ich kann mal nachschauen, was die genau machen. Bei uns wurde beides zwar eingefügt, aber dann noch nicht genutzt.


Und der Vollständigkeit halber:
Meine Kampfreferenz für Spieler(innen) findet sich hier.
Und Übersichten für einen SL-Schirm da. (Bei mir schaut das Ganze dann so aus.)

On Misty Pathways


Beyond the Wall, ein Rollenspiel, das irgendwo zwischen Old School und Indie anzusiedeln ist, kommt auf deutsch. Oder zumindest, wenn genug Vorbestellungen zusammen kommen. Momentan sieht es aber recht gut aus. Es ist ein weiteres Spiel, bei dem mir sehr am Herzen liegt, dass seine Übersetzung und Publikation realisiert wird. Deswegen will ich es heute vorstellen.


http://www.system-matters.de/produkt/beyond-the-wall/


Das Besondere an dem Spiel ist, dass es ohne viel Vorbereitung spielbar ist. Das liegt daran, dass Elemente aus den Regeln, die dieses Spiel inspiriert haben, geschickt kombiniert werden. Bei den Vorlagen handelt es sich um Spiele, die Varianten/ Weiterentwicklungen des klassischen D&D (1983) sind und die um Varianten/Weiterentwicklungen von Apocalyse World (- DungeonWorld gehört z.B. auch zu den pbtA-Spielen) ergänzt wurden.
Insgesamt liegen die besonderen Stärken auch da, wo man sie erwartet: Charakterzentriertes Spiel mit knapp ausgearbeitetem Kampfsystem sowie einem Proto-Fertigkeitensystem. Zauberei ist etwas anders und recht "stimmungsvoll" umgesetzt. Hier merkt man, dass zu den literarischen Vorbildern Ursula LeGuins "Erdsee-Zyklus" gehört. Ingesamt bietet BtW ein Regelsystem, das ein kleines, unkaputtbares Regelgerüst hat, auf das man sich verlassen kann und an dem man eigene Ideen gut "andocken" kann. Auf der anderen Seite lässt das Spiel viel Raum für kreatives, freiformiges Spiel. Als Spieler agiert man "in charakter", wird manchmal auch als Spieler herausgefordert und entscheidet ein bißchen über die Story mit. Was ganz rausfällt ist die Frage "welche Regel-/Sonderfertigkeiten-Knöpfe muss ich jetzt für welchen regeltechnischen Effekt drücken". Etwas, das beispielweise Spiele wie Pathfinder oder auch Savage Worlds ganz stark haben.

Charaktere sind innerhalb sehr kurzer Zeit gebastelt. Ein bißchen Aussuchen aus ein paar Optionen und ein bißchen Würfel-Zufall. Fertig. Dann kann man schon loslegen. Die zur Wahl stehenden Klassen - Hexenschüler, Waldläufer, Ritter, Dorfheld, Magier oder Diebhaben - haben schon etwas Märchenhaftes.


Der Klappentext beschreibt das so:

Jedes Zuhause braucht seine Helden!

Euer Dorf scheint der sicherste Ort der Welt zu sein. Doch jenseits der Mauer drohen Gefahren: Bösartige Feen verbergen sich im Alten Wald, Banditen lauern auf den Straßen, schreckliche Monster sind überall. Und manchmal findet das Böse sogar einen Weg in die Herzen der anständigsten Dorfbewohner. Ihr seid zwar jung und unerfahren, aber bereit das zu schützen, worauf es ankommt – Euer Zuhause!

Komm mit uns, hinter die Mauer …
 


Die entscheidenden Faktoren, die mich haben vorbestellen lassen sind
Die Regeln sind (wahrscheinlich) einfach genung, dass man sie vor dem Spielen nur nochmal durchlesen bzw. überfliegen muss, um sie erklären und spielen zu können. Wenn man - mit Hilfe des Spiels - ein paar Abenteuerideen vorher in ein Notizbuch schreibt, dann hat man eigentlich schon alles, um losspielen zu können.

Genau sowas habe ich bisher nicht: Ein sofort spielbares Rollenspiel, das 0/8/15 und eine ganz eigene Note so vereint, dass das für fast alle Spieler passt. Das Prinz Eisenherz RPG (Prince Valiant Storytelling) scheitert bisweilen daran, dass Mitspieler auf den Hintergrund keine Lust haben.


Hier gibts noch ein schönes Interview mit dem Macher der deutschen Version.
Und dort eine (englische) Rezension.


... und jetzt auf die Seite von System Matters gehen und vorbestellen
;-)

Freitag, 4. März 2016

My Love Of This Land



Dann werde ich mich also auch mal auf den Blog Quest begeben. Diesmal zum Thema Settings.


1.) Welche Eigenschaften und/oder Besonderheiten schätzt Du an Deinen/m Lieblingssetting(s)?
Wichtig ist mir, dass das Setting ein gutes Konzept hat. Es sollte erkennbar sein, was die Einflüsse sind, von denen sich die Autoren haben inspirieren lassen. Außerdem sollte klar sein, was man darin spielen kann und soll. Womit ich schon beim nächsten Punkt wäre: Die zentralen Themen und Konflikte sollen interessant sein. Man könnte das vielleicht auch als "Bezug zu menschlichen Grunderfahrungen und -konflikten" beschreiben. Von der Ausgestaltung her sollte es nicht nur 0/8/15 sein. Ein eigener Geschmack, eigenwillige Deutungen von bekannten Tropen und Motiven ist für mich ein Muss. Gleichzeitig sollte es eine gewisse Offenheit und Schnittstellen für eigene Ideen mitbringen. 

Um das Ganze zusammenzubinden ist mir wichtig, dass das Setting u.a. einen Bezug zu Sagen, Mythen und Geschichte hat. Sowohl zu der unserer Welt als auch eigene Deutungen davon oder Eigenschöpfungen für die Spielwelt. Dabei reicht es nicht realweltliche Sagen, Mythen, Märchen und/oder Legenden durch den Fleischwolf zu drehen. Finde ich furchtbar. Vampire: the Masquerade macht hier in meinen Augen alles richtig und falsch zugleich. Das Spiel hat eine umfangreiche "Mythologie". Andererseits bemüht es dafür auf ganz grausige Weise den Fleischwolf.

Zum "mythischen Bezug" gehört für mich auch ein mindetens latenter Fokus auf Kultur und Gemeinschaften. Da sind die Ebenen Soziales, Politisches, Religiöses und Handel ausdrücklich drin eingeschlossen.

Gern mag ich, wenn ein Setting ein gewisses "Eigenleben" hat, das den Spielfiguren (gleich ob von Spielerinnen und Spielern geführt oder von der Spielleitung) Konventionen und Handlungsimperative aufzwingt. Ein Beispiel, bei dem das sehr stark der Fall ist, wäre Legend of the Five Rings (L5R). Hier haben die (i.d.R.) Samurai immer Verpflichtungen gegenüber ihren Herren und gegenüber ihren Untergebenen. Außderm haben sie ja auch noch familiäre Bande und eigene Interessen, Bedürfnisse, Sehnsüchte, ... Die können auch schnell mal miteinander in Konflikt geraten. Vom Setting vorgegeben gibt es ganz klare Loyalitätshierarchien, die eingehalten werden müssen, wenn eine Figur nicht ihre Ehre aufs Spiel setzten will oder (bzw. und, weil das oft damit verbunden ist) ihr Leben. 

Ein Setting, das das auf allen Ebenen gut hinbekommt ist mMn das von Clockwork & Chivalry oder auch die Alte Welt von Warhammer Fantasy Roleplay. L5R ist stellenweise schon etwas schwer zugänglich. Es braucht von der Spielleitung mehr Vorbereitung und die Spieler müssen sich auch ein bißchen einarbeiten wollen. Einflüsse ostasiatischen Denkens sind nicht unbedingt für alle gut zugänglich.



2.) Hast Du schon Settings selber gebaut? Bist Du da der Bottom up (vom Kleinen zum Großen) oder eher der Top down (vom Großen zum Kleinen) Typ?  Was waren die Besonderheiten Deines Settings? Wenn nein, warum hast Du bisher keins gebaut?
Ja, ich habe Settings gebaut. Für meine ersten wirklichen Versuche mit Rollenspiel - die gleich Spielleitung mit dem Freiform-Regelwerk daidalos beinhalteten - habe ich ein Setting gebaut. Neben 0/8/15-Fantasy als Grundlage hatte es Anlehnungen an Märchen und Aberglauben, an unsere Mittelalter-Welt, an Warhammer Fantasy (wie sie in den ganz alten Romanen beschrieben wird), an Magnamund (die Welt der Einsamer-Wolf-Spielbücher) plus ein bißchen Weirdness und Anachronismen. Damals hatte ich mit der Weltkarte angefangen. Konkreter ausgearbeitet waren des Reich, das Hauptspielort werden sollte und darunter besonders dessen Hauptstadt. (Leider habe ich die Sachen nicht da, so dass ich sie zeigen könnte.)

Auch für die letzte LotFP-Runde hatte ich begonnen ein Setting zu bauen. Ausgehend von dem Abenteuer "Tower of the Stargazer" habe ich mir Ortschaften in der Nähe überlegt und die Lage des Zaubererturms in der Gegend festgelegt. Danach habe ich mich dann den größeren Zusammenhängen gewidmet. Mit Vornheim als Metropole im Norden und einer Stadt, die eine Mischung aus The Bury of St Edmunds (The Maelstrom Companion) und Norwich (Forgive Us) darstellt. Ergänzend dazu habe ich mich um Religion und Glaube, "Tech-Level", etc. gekümmert. Ein bißchen was davon kann man hier anschauen. Der Ton des Ganzen war "brueghelian" (wie man im englischen Sprachraum sagt). Geerdet, grotesk, realitätsnah, bäuerlich, symbolisch, weird, gritty ... sind Adjektive, die man zur Beschreibung verwenden kann.

An beiden Beispielen kann man ganz gut erkennen, dass ich ein Verfechter des "Sandwich-Modells" bin. Das Setting wird von beiden Richtungen her abwechselnd ausgearbeitet. Bottom Up und Top Down im Wechsel. Was der Ausgangspunkt ist, ist egal.


3.) Magst Du lieber generische Setting [sic!], wo man schnell mal einen Oneshot oder ein Kaufabenteuer reinwerfen kann und deren typische Tropes jeder kennt, oder lieber eigenständige, mit Besonderheiten gespickte, “einmalige” Settings?
Da kann ich nur antworten: "Weder noch" oder "Sowohl als auch". Ich mag Settings, die Anknüpfungspunkte haben UND gleichtzeitig einen eigenen Geschmack. Für das Spiel bedeutet das, dass Oneshots oder Kaufabenteuer jederzeit mit den "üblichen" Anpassungsarbeiten eingefügt werden können. Mit "üblichen Anpassungsarbeiten" meine ich, dass der Aufwand nicht über jenen hiausgeht, den man für das Konvertieren eines Abenteuers für ein anderes System betreiben muss.

Ein klassisches Beispiel für so ein "Zwischending" an Setting wäre die Warhammer-Welt nach WFRP 1st & 2nd. Dazu habe ich hier bereits ausführlich was geschrieben.


4.) Wie steht es um den Detailgrad bei Kaufsettings? Möchtest Du ein Königreich lieber auf 5 oder auf 500 Seiten beschrieben haben? Lieber eher knapp. So 20 - 40 Seiten reichen mir. Allerdings ist nicht der Umfang entscheidend, sondern die Art der Beschreibung. Offenheit, Inspiration, Themen und Konflikte, kurzer geschichtlicher Abriss, soziale Ordnung, Gebräuche und Kosmologie - diese Aspekte müssen drin sein. Kaufsettings, die alles erschlagend und umfassend festlegen, sind mir genauso zu wider wie Settings, die sich auf nichts festlegen wollen oder (fast noch schlimmer) verschiedene Themenbereiche nahezu komplett in Erweiterungsprodukte auslagern.
Ich brauche nicht alle Settinginfos ein einem Ort. Doch ein kursorischer Überblick z.B. im Grundregelwerk oder einem Settingbüchlein, in dem das Setting kohärent und umfassend skizziert wird, ist Pflicht. Wichtig ist halt, dass ich mir ein Bild machen kann und dass da nichts Wesentliches fehlt. Vertiefung darf dann gern an verschiedenen Stellen stattfinden. Gerne auch in Abenteuern.

Spiele, die es in meinen Augen richtig gemacht haben, sind WFRP 1st und Clockwork & Chivalry.


5.) Welches Setting hat Dich zuletzt beeindruckt, egal ob kürzlich erschienen, noch im Erscheinen begriffen oder länger erhältlich? 
Shudder Mountains (DCC RPG - The Chained Coffin)

Sagen und Mythen der Appalachen, bzw. die darum kreisenden folkloristischen Pulp-, Horror-, Sword-&Sorcery-Stories von Manly Wade Wellman bilden den Kern des Settings.


Karl Edward Wagner schreibt über die Vorlage: “These stories are chilling and enchanting, magical and down-to-earth, full of wonder and humanity.” Und in meinen Augen gilt dasselbe für das Setting von Goodman Games.


Blog-O-Quest?
Eine schöne Sache, die von Greifenklaue und Würfelheld im Wechsel organisiert wird. Meinen Dank dafür. (Wer ebenfalls teilnehmen will findet - diesmal bei Greifenklaue - alle Infos.)

A Quest for the Crown

Manche haben es vielleicht schon mitbekommen: Die deutsche RuneQuest Gesellschaft e.V. versucht sich als Verleger der aktuellen Version von RuneQuest. Da die Vereinsmittel natürlich nicht mit denen eines regulären Rollenspielverlags mithalten können, probieren sie die gedrucke Version von RuneQuest 6 mit Hilfe von Crowdfunding auf den deutschen Markt zu bringen. (An dieser Stelle spare ich mir eine Erklärung darüber, was Crowdfunding ist. Bei Fragen: Bitte in die Kommentare.)

Jedenfalls benutzen sie die deutsche Plattform "Start Next" (zum Projekt), was den Vorteil hat, dass man sich über verschiedene Zahlungswege beteiligen kann. Dazu gehört auch die Lastschrift. (Die amerikanische Plattform "Kickstarter", die seit kurzem auch in Deutschland operiert, finde ich da deutlich komplizierter.)


https://www.startnext.com/runequest

 

Übersetzung

Als PDF liegt das Spiel schon länger in deutscher Übersetzung vor. (Wer nur das will, muss es wohl hier erwerben.) Zur Übersetzung sei gesagt: Sie stammt von Lutz Reimers, der Anfang der 90er schon mal RuneQuest 3 ins Deutsche übertragen hat. Wie die neue Übersetzung gelungen ist? Phänomenal! Ernsthaft.

Für mich ist RQ6 die beste deutsche Übersetzung seit Warhammer Fantasy Rollenspiel 2.Edition. Und das mag etwas heißen! Wie die Übersetzung von WFRP2 liest sich RuneQuest 6 wie ein recht gut geschriebenes, originär deutschsprachiges Rollenspielprodukt. Das hat Seltenheitswert am deutschsprachigen Markt. Wer sich selbst überzeugen will, findet hier neben einer groben Beschreibung des Spiels auch einen Link zu Probeseiten. Die Leseprobe, die ganze 77 Seiten umfasst, sollte einen guten Einblick in die Übersetzung bieten.
 

Äußerlichkeiten

An dieser Stelle möchte ich kurz was zur Gestaltung sagen: Das ganze Buch verwendet ein sehr klares, gut lesbares Layout und ist ebensogut strukturiert. Besonders charmant ist die Coverillustration, die das Motiv von RuneQuest 2 aufgreift und in die heutige Zeit bringt. Chapeau! 
Im Inneren ist das Buch schwarz/weiß illustriert. Doch ehe jetzt das Geschrei losgeht, das sei doch heut- zutage nicht mehr passend, will ich dagegenhalten: Doch! Das ist sogar sehr passend. Die feinen Tuschezeichnungen haben Charakter und ganz viel Stil. Etwas, das den bunten, konfektionierten Bildern der "Photoshop-Künstler" abgeht. Diese Abkehr vom seelenlosen Mainstream-Fantasy-Artwork finde ich sehr erfrischend. Ein klarer Pluspunkt!   

Kleine Wirkungsgeschichte von RQ

RuneQuest ist die "Mutter" von Spielen wie Cthulhu, Sturmbringer, Elric!, ... (alle ursprünglich von Chaosium). Gerade die britische Rollenspielszene ist von dem Spiel sehr geprägt worden. Games Workshop hat damals die Fassung für UK herausgegeben, es gab Abenteuer im White Dwarf (ja, der war mal ein Rollenspielmagazin). Einflüsse von RuneQuest finden sich entsprechend in WFRP1 und daraus resultierend in WFRP2 und den 40K-Rollenspielen. 

In den 2000ern hatte Mongoose (ein englischer RPG-Verlag) die Rechte an Runequest. Bedeutend ist das deswegen, weil mit Mongoose RuneQuest (MRQ) das Spiel seit langer Zeit wieder erhältlich war. Außerdem machte der der Verlag die Spielregeln über die OGL (open gaming licence) samt dazugehörigem SRD (system document reference) als "open scource" verfügbar. Daraus sind in UK zuletzt einige Spiele entstanden: River of Heaven (Hardish Science Fiction), Clockwork & Chivalry (Quasihistorisches Spiel im English Civil War - mit Cromwell, Charles 1st, Alchemie und Uhrwerk-Kriegstechnik), Dark Streets (London zur Zeit der Frühindustrialisierung als Schmelztigel von Armut und Adel, Laster und Lumperei), OpenQuest (Einfacher Fantasyspiel-Bauskasten) und Pirates & Dragons (Was der Name sagt).

Die RQ-Lizenz selbst ging derweil an The Design Mechanism, den Verlag, den die Autoren der zweiten RQ-Edition von Mongoose gegründet hatten, nachdem Mongoose die Lizenz nicht länger halten wollte. Gegenüber MRQ gilt MRQII als deutliche Verbesserung und wenn man so will, ist RuneQuest 6 ein "director's cut" zu MRQII. 


Was zeichnet RuneQuest aus?

  • Es ist ein W100-, bzw. W%-System, das in seinen Grundzügen intuitiv verstehbar ist.
  • Jede Spielfigur kann grundsätzlich alles Lernen. Dadurch ergeben sich ganz unterschiedliche Charaktere.
  • Das Spiel verwendet dementsprechend keine Klassen.
  • Fertigkeiten spielen eine große Rolle. Dabei ist die Liste nicht ewig lang (wie bei Rolemaster).
  • Charaktere sind keine überlebendgroßen Helden. Sie sind "menschlich" und verletzlich. Wenn es zu Kämpfen kommt können Spielfiguren schnell das Zeitliche segnen. Der größte Unterschied zu Dungeons & Dragons besteht darin, dass Charaktere nicht Helden durch ihre überdurchschnittliche Physis, außergewöhnliche Talente oder Ähnliches, sondern dadurch, was sie tun.
  • Taktik findet nicht primär auf Regel- sondern auf Spielweltebene statt. Ebenfalls ein sehr markanter Unterschied zu D&D, Pathfinder oder auch DSA und Splittermond.
  • Charakterverbesserung läuft über Anwenden von Fertigkeiten. (Erfahrungspunkte sind mWn optional). Hier geht es eben nicht um "schneller, höher, weiter", sondern um die Simulation organischer Lernerfahrungen.
  • "Realismus" und "Spielbarkeit" sind zwei Ansprüche, die RuneQuest versucht zu erfüllen.
  • Die Regeln sind modular und flexibel. Man kann viele Regelteile weglassen, ohne, dass das Regelwerk "zusammenbricht".
  • Im Umkehrschluss heißt das: Das Regelgerüst ist robuster als das vieler Spiele neueren Ursprungs und offen für Hausregeln (so man sie will oder braucht).
  • Die Kompatibilität zu Cthulhu, Sturmbringer/Elric! und den ganzen andern Spielen, die von RuneQuest abstammen gibt Spielern und Spielleitenden ein großes Repertoire an Spielmaterialien an die Hand, dass sie ohne große Konvertierungsarbeit nutzen können.



Wenn ihr mit RuneQuest was anfangen könnt oder euer Interesse geweckt wurde:
Schaut einfach mal bei dem Projket der RQ-Gesellschaft vorbei. Vielleicht findet ihr das ja unterstützenswert. Das Projekt braucht noch Unterstützer. Ich jedenfalls bin bei der Schwarmfinanzierung dabei. 

Falls es noch mehr Infos, andere Einsichten, ... braucht: Hier entlang!






Nachtrag: Aktuelle Entwicklungen

Chaosium, wird zum Sommer die Lizenzrechte zurückholen. Ein RuneQuest 7 befindet sich in der Design-Phase und soll schon im Sommer erscheinen. Warum das Spiel RuneQuest 4 heißen wird und wann Chaosium vernünftige Spieltests durchführen will, weiß kein Mensch. Letzeres wäre vielleicht nicht ganz unwichtig: Das Spiel soll ja doch einiges anders machen als bisher. Zunächst wird und das Regelwerk mit der Spielwelt Glorantha zwangsverheiratet[1]. Dann soll es auf den Regeln des uralten RuneQuest 2 aufsetzen. Mit jeder Menge neuer Ideen und Ideen aus Pendragon und HeroQuest (RPG) und welchen aus RuneQuest 6 und RuneQuest 3. Dabei sollte RQ7 mal auf RQ6 basieren, was aber wieder zurückgenommen wurde, ... 
Neben diesen ganzen Verwirrungen ist Chaosium durch eine sehr seltsame, zum Teil agressive und nicht nachvollziehbare Kommunikationsweise gerade auf dem besten Weg die Community zu entzweien.

(RuneQuest 6 wird dessen ungeachtet unter dem Namen Mythras bei The Design Mechanism weitergeführt werden.)


[1] Eine schöne, detailierte, leicht abgedrehte FANTASY-Spielwelt mit - wie bei Runequest-Abömmlingen üblich - einem Fokus auf Kultur/Kulturen/Gesellschaftliches. Ich kann mit dem Hintergrund nicht viel anfangen. Insbesondere deswegen, weil Glorantha sehr einarbeitungsintensiv ist und ich mit Rokugan und The Diamond Throne schon zwei Settings habe, die aufwändig sind. 
Unter den RuneQuest-Fans gegen die Meinungen über Glornatha auseinander. Ca. 50% sind Feuer und Flamme für das Setting, die anderen nicht.
Und falls es mich Glorantha doch noch packen sollte: 13th Age scheint mir da fast das passendere Regelgerüst zu liefern. Naja.