Mittwoch, 29. Juni 2016

Are You Sure Hank Done It This Way

... der höllische Teddybär ist an diesem Blogartikel schuld. Eigentlich wollte ich ja nur einen Kommentar auf Neue Abenteuer schreiben. Der ist aber dann so lang geworden, dass ich beschlossen habe, das hier auf mein Blog zu stellen.

Beyond the Wall ... und andere Abenteuer ist "ausgelesen". Hier meine gesammelten Erkenntnisse:
 
Obwohl das Spiel grundsympathisch ist und die Übersetzung sehr gelungen, hat sich meine Begeisterung für Beyond the Wall leider etwas verflüchtigt. Woran liegt das?


Zunächst das Gute
BtW macht viele kleine, tolle Änderungen gegenüber den alten D&D-Versionen:

1) Die Auslegung des Gesinnungssystems ist sehr gelungen und lässt sich gut ins Spiel integrieren. Dazu schrieb ich bereits hier.

2) Die Art und Weise, wie Zauber funktionieren ist gelungen und passt zu den literarischen Vorlagen.
Anders gesagt: Die Einteilung in Zaubertricks, Zaubersprüche und Rituale macht Spaß. Die Zauber selbst sind eher auf der kreativen und vielfältig einsetzbaren Seite. Toll! Mit den Zaubertricks umgeht das Spiel außerdem das Phänomen, dass Zauberer, sobald sie ihre Zaubersprüche verwendet haben, nur noch wenig zum Spiel beitragen können. Dabei ist und bleibt die Magie gleichzeitig wild und bezähmbar.

3) Die Charaktergenerierung mit seiner Mischung aus PbtA-Playbook und Lifepath macht Spaß und generiert interessante Figuren, ohne, dass es komplett zufällig wäre. Dadurch, dass die Spieler das Dorf mitgenerieren, ihre Figuren untereinander vernetzen, haben sie auch eine gewisse Kontrolle über ihre Spielfigur. Gefällt mir sehr gut. Ein Spielercharakter ist - anders als ich das z.T. als Ergebnis von Punkte-Kauf-Generierungen erlebt habe - keine "Insel".

4) Das optionale! Protofertigkeiten-System scheint brauchbar. Auch dazu schrieb ich bereits was.

5) Weiterhin bei Fertigkeiten: Gruppenwürfe, Freunden-Helfen und Konkurrenzwürfe sind recht gelungen. Das Zusammenhelfen der Spielercharaktere und wie man das regelseitig abbilden kann, hat noch kein OSR-Spiel so schön ausformuliert.

6) Schicksalspunkte machen im Kontext des Spiel-"Hintergrunds" Sinn. Die Spielfiguren sind junge Waldläufer etc., die sich gegen Gefahren stellen, die größer sind als sie selbst. Die Schickalspunkte bilden den Satz "den Tapferen hilft das Glück" regelseitig ab.

7) Die Szenario-Hefte sind eine gute Idee. Eine schöne Grundlage für ein ergebnisoffenes Abenteuer. Sie enthalten Schauplätze, Ereignisse, Figuren, ... welche die Spielleitung und Spieler(innen) gemeinsam als Abenteuer erleben. Eine Geschichte ergibt sich erst in der Rückschau - aus dem, was sich die Spielrunde erspielt hat.





Was mir nicht gefällt, sind andere kleine Änderungen, bei denen sich mir der Sinn nicht so ganz erschließt:

1) Wenn man schon die 5 Rettungswürfe von classic D&D (Rote Box & Co.) verwenden muss, warum wird die Aufteilung verändert. BtW fügt "Polymorph" hinzu und schlägt den damit abgeschafften RW "Lähmung/Versteinerung" größtenteils dem RW "Gift" zu. Der Rettungswurf "Odem" beinhaltet nun, dass sich eine Spielfigur durch "schnelle Bewegungen" retten kann. Was damit gemeint ist - Reflexe oder Ausweichen oder etwas anderes bleibt unklar. Rettungswürfe sind mMn in Lamentations of the Flame Princess besser gelöst (vgl. LotFP: Rules & Magic, [Art-]Free PDF-Version, p.7f.). Dort wird recht genau gesagt, wann und wofür welcher Rettungswurf einzusetzen ist. Wenn nun eine Spielfigur in eine ungewöhnliche Situation gelangt, für die ein Rettungswurf als Probe sinnvoll scheint, dann findet man in LotFP recht gut einen passenden. Bei Beyond the Wall können da durchaus Diskussionen entstehen. Was mich ebenfalls etwas ärgert: Wenn in den Optionalregeln relativ wortreich darauf hingewiesen wird, dass man auch mit 3 Rettungswürfen (Reflexe, Willen, Zähigkeit) spielen kann, dann erwarte ich zumindest eine rudimentäre Ausführung davon. So ist das verwendeter Platz.

2) Die Progression an Lebenspunkten finde ich ziemlich heftig. Krieger erhalten auf jeder Stufe +W10 LP, Schurken +W8 LP und Magier +W6 LP. Das geht bis zur letzen Stufe so. Bei Labyrinth Lord sieht das so aus: Bis inkl. Stufe 9 erhalten Krieger je Stufe +W8 LP, Diebe +W4 LP und Magier +W4 LP. Mal schauen ob ich nicht die Lösung aus The Hero's Journey (inkl. Rüstungsregeln) übernehmen will.

3) Rüstungen geben in +2-Schritten Verbesserungen der Rüstungsklasse. Ein Plattenpanzer erhöht den Trefferwurf beim Gegner um 8. Bei Labyrinth Lord erhöht sich die Trefferschwierigkeit um 6.

4) Es gibt keine Belastungsregeln. Das ist schade, weil die Fragen: Was bleibt zu Hause? Was muss mit aufs Abenteuer? rausfallen. Man muss nun nicht auführliche Angaben für Gewicht und Sperrigkeit einbauen, aber ein einfaches System (wie das z.B. das alte Ghostbusters RPG hat) wäre schon gut gewesen.

5) Bei den Mag. Gegenständen bleibt BtW mMn viel zu konventionell:
"Most magical weapons give a bonus to hit and to
damage; for instance, a +2 sword gives its bearer +2
on all to-hit rolls and does an additional 2 points of
damage when it does hit.
"   (p. 69, engl. PDF)
Das ist einfach nur langweilig. Magische Gegenstände sollen - gerade in einem märchenhaft angehauchten Setting - etwas Besonderes sein. Und da kommt es mMn nicht so sehr darauf an, was der Gegenstand konkret kann, sondern, dass er eine Geschichte hat. Ich hätte mir für die Beispiele gewünscht, dass darauf der Fokus gelegt wird. Ansonsten brauchen Gegenstände keine ausgefallenen Effekte erzeugen, aber (fast) immer nur Boni zu verteilen, ist einfach öde.

6) Ein echter SL-Teil fehlt. Manches wird im Regelbuch (S.9f.) gesagt, manches im SL-Buch bis S.10. Aber die ganz handfesten Tipps, Tricks und Hilfsmittel fehlen! Was sind die Aufgaben der Spielleitung? Umgang mit Regeln, mit den Spielenden, ... ?
Worauf kann und soll ich beim Szenario-Bau achten? Eine Reihe von Bauteilen, Szenario-Aufhängern, Zufallstabellen ... das wäre schon praktisch gewesen. Für mich ist das nicht nur etwas, das es Rollenspiel-Anfängern schwer machen dürfte mit BtW zurecht zu kommen. Auch erfahrene Spielleiter(innen) können mMn davon profitieren, wenn Autoren eines RSP sagen, wie sie sich den Spielprozess vorstellen. Zusätzlicher Kram wie "story seeds" könnten den Szenario-Bau für SL vereinfachen.


Soweit der Leseeindruck von den Regelbüchern. Die Szenario-Hefte wollen noch gelesen werden. Bisher habe ich nur eines "genauer überflogen".

Nach wie vor gefällt mir Beyond the Wall gut. Aber ich habe - entgegen meiner Erwartungen - einiges entdeckt, wo es hinter Labyrinth Lord zurückfällt. Das macht schon irgendwie nachdenklich. Stellenweise "weniger gut als ein Retro-Klon" ist nun nicht unbedingt ein  Qualitätsmerkmal. Wie meine Lösungen für Beyond the Wall aussehen werden, weiß ich noch nicht. The Hero's Journey, LotFP, Crypts & Things, Labyrinth Lord und ggf. Blood & Treasure sind alles Kandidaten, die ggf. bei meiner persönlichen Reparatur von BtW helfen werden.

Aber vielleicht habe ich BtW auch nicht richtig verstanden. Deswegen würde ich gern echte Designer-Notes lesen. Das Interview hier reicht mir nicht.

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